Von den ersten Peithmann Pastoren in Nenndorf und Stadthagen (21.9.1996)

Pfarrer im Dreißigjährigen Krieg

Von den ersten Peithmann-Pastoren in Nenndorf und Stadthagen

Liebe Verwandte und Freunde!

 Berichte über lange zurückliegende geschichtliche Ereignisse berühren uns gewöhnlich kaum; wir nehmen sie lediglich als sachliche Information zur Kenntnis. Und selbst stehende oder laufende Bilder vermögen unsere innere Anteilnahme nur wenig anzuregen. Mit Bildern der eigenen Phantasie jedoch, gemalt beim Hören oder Lesen gesetzter Worte, gelingt es am ehesten, ein Geschehen anschaulich zu machen, es zu begreifen, ja, uns ein Stück als Beteiligte einzubeziehen.

 So sei es erlaubt, ein Ereignis aus der frühen Familiengeschichte über den nüchternen Quellentext hinaus auszuschmücken, zu veranschaulichen, auf Einzelheiten zurückzuführen – freilich mit der für einen Historiker gebotenen Zurückhaltung.

 Wir schreiben das Jahr 1631. Seit 13 Jahren tobt in Deutschland der 30-jährige Krieg. Landauf, landab legen Söldnerhorden Städte und Dörfer in Brand; sie rauben, vergewaltigen, schänden, morden. Im Frühjahr wüten die kaiserlichen Truppen in Pommern. Am 09. März gelingt es General Tilly mit seinen Soldaten, die Stadt Neubrandenburg in Vorpommern einzunehmen. Wie überall, so stürzen sie sich zuerst auf die protestantischen Gotteshäuser. Doch die Neubrandenburger Marienkirche ist von Kirchenältesten umstellt, das Hauptportal hütet der Pfarrer im Talar. Diese wehrlose Wache ein wirksames Hindernis für Söldner, denen jegliche menschliche Empfindung abhanden gekommen ist? Soweit die Kirchenmänner nicht selber weichen, werden sie brutal zu Boden geschleudert. Doch der Pastor hält die große, eiserne Kirchentürklinke fest in der Hand, läßt sie nicht los. Das wird ihm zum Verhängnis.

Von der Lanze eines Kaiserlichen getroffen, sackt er zusammen; aus der klaffenden Kopfwunde strömt Blut. Während die herbeieilenden Kirchenältesten den verletzten Kopf mit Kleidungsstücken umwickeln und den Besinnungslosen in das nahegelegene Pfarrhaus tragen, stürzt die wilde Soldateska in die Kirche und läßt die Zerstörungswut an Altar, Kanzel, Taufstein, Gestühl und Fenstern aus.

 Was sich in Neubrandenburg zugetragen hat, passierte während der langen Kriegszeit so oder so ähnlich in vielen anderen Orten. Das Geschehen war – so grausam das klingt – ein Stück Normalität. Und wir im Familienverband Peit(h)mann hätten wohl kaum Veranlassung, uns dieses Ereignis vor Augen zu führen, hieße nicht der lebensgefährlich verletzte Pfarrer der Neubrandenburger Marienkirche 

Ludolph Peithmann.

Ludolph Peithmann, gebürtig aus Stadthagen, der Stadt unserer Vorväter, überlebte diesen Anschlag, wenngleich er zeitlebens darunter zu leiden hatte.  

Ludolph gehörte zusammen mit seinem älteren Bruder Hermann zu den ersten Pfarrern in unserer Familie. Ihnen und ihren Geschwistern, die alle unter den Drangsalen des 30-jährigen Krieges zu leiden hatten, soll unser diesjähriger Familientag gewidmet sein. Hermann Peithmann war der erste Inhaber eines Pastorats, und zwar hier in Bad Nenndorf, Hohennenndorf, wie es damals hieß, wohin wir uns daher gerne zu diesem Treffen einladen lassen. Hermann hatte in diesen Tagen vor genau 402 Jahren sein Theologiestudium in Helmstedt begonnen.

In den mehr als vier Jahrhunderten stellten die Peit(h)mann-Familien ohne Unterbrechung Pfarrer, wenn man von einer Lücke weniger Jahrzehnte im vorigen Jahrhundert absieht. Und die lange Reihe der Namen reicht von damals bis hin zu den heute Lebenden, bis zu Eberhard Peithmann, Pastor in Möllbergen bei Minden. In dieser Zeit gingen aus den Peit(h)mann-Familien – unter Einbeziehung der als Studenten Verstorbenen und der späteren theologischen Lehrer – genau 25 Geistliche hervor, für eine vergleichsweise kleine, wenig verzweigte Familie eine bemerkenswert große Anzahl.

 Mit zwei Ausnahmen gehörten alle dem mit „th“ geschriebenen Peithmann-Ast an; es waren also Nachfahren von Thomas Poytemann, 1511 Bürger in Stadthagen. Von den Abkömmlingen seines Bruders Brun, 1510 Bürger in Stadthagen und Inhaber des Schuhmacheramtes, war der 1696 geborene Johann Anton Heinrich Peitmann Pfarrer in Trotha und dessen Sohn Johann Anton Peitmann Pfarrer in Halle.

 Auch wenn andere Berufsgruppen in unseren Familien stark vertreten sind, oft nacheinander über mehrere Generationen hinweg, wie z. B. Bäckermeister und Schuhmachermeister, aber auch Schulmeister – diese besonders unter den Nachfahren des Nenndorfer Pastors Hermann -, so kann man Peit(h)mann mit Fug und Recht als Pfarrerfamilie bezeichnen. Daß eine Familie eine so große Anzahl von Theologen hervorbringt, darf wohl kaum auf einen Zufall zurückzuführen sein. Auf der Suche nach dem Beweggrund sind zuerst die Umstände zu erkunden, unter denen die ersten Peithmann-Pastoren studiert haben. Da sind wir wieder bei Hermann und Ludolph Peithmann, den Vertretern der ersten Theologen-Generation. Daß Einzelpersonen schon einige Jahre vorher ein Studium aufgenommen haben, wie z. B. Eberhardus aus Hannover im Jahre 1578 in Helmstedt, der später als Kanoniker in Eutin lebte, scheint in diesem Zusammenhang nicht von Belang.

 Wir richten unsere Aufmerksamkeit vielmehr zunächst auf die Eltern von Hermann und Ludolph. Ihr Vater war der in der Stadthäger Stadtgeschichte bedeutsame Kämmerer Dietrich Peithmann, der 1572 das Bürgeramt erwarb, Sohn des noch in vorreformatorischer Zeit lebenden, also katholischen Vorfahren Thomas Poytemann, der 1511 Stadthäger Bürger geworden war. Wohl kaum einer in unserer Familie hat den Umbruch, den die Einführung der Reformation in der kleinstädtischen Gesellschaft Stadthagens bewirkte, so hautnah an sich selbst erfahren, wie Dietrich.

 Nachdem in der Bevölkerung das Bekenntnis zu Luthers Lehre immer stärker geworden war, wandte sich der regionale Hüter der „reinen“ katholischen Lehre, Probst Köstgen in Obernkirchen, am 05. Januar 1557 an den Grafen mit der Bitte, die neue Lehre zu unterdrücken. Vergeblich! Hatte der Graf etwa schon selber die neue Lehre angenommen? Jedenfalls hielt er die Zeit neuen Glaubens für erfüllt. Wer wußte schon, daß sich die Heirat des Grafen Otto mit der streng lutherischen Herzogin Ursula von Braunschweig-Lüneburg anbahnte, der Tochter eines engen Luther-Freundes, Ernst des Bekenners? Noch mehr: Die Ehepakte vom Jahre 1558 bestimmten einen evangelischen Hofprediger für das Stadthäger Schloß. Die Wahl fiel auf den jungen Theologen Jacob Dammann, den Herzogin Ursula einfach aus Celle mitbrachte. Dammann hatte kurz zuvor sein Studium in der reformatorischen Hochburg Wittenberg bei Philipp Melanchthon beendet und war durch und durch Lutheraner. Und es war wahrhaftig ein starkes Stück, daß Jacob Dammann am 20. März 1559 über das Hofpredigeramt hinaus zum Pfarrer von Stadthagen bestellt wurde – aufgrund eines erzwungenen Vertrages zwischen dem Grafen und dem katholischen Probst von Obernkirchen. Das hatte Konsequenzen: Dammann erhielt vom Probst Köstgen als dem Kirchenherrn der Martinikirche einen Anteil vom Pfarreinkommen. Doch Probst Köstgen und die ihm noch ergebenen anderen Priester ließen nicht locker. In der Martinikirche waren die katholischen Nebenaltäre noch nicht entfernt. Wurde eine Vikarie vakant, gelang es ihm, sie durch einen katholischen Kleriker wieder zu besetzen. Und dann am 21. Januar 1563 dieser Vorgang: Einsetzung des Stadthäger Bürgersohns Dietrich Peithmann durch Probst Köstgen als Vikar des Altars „Peter und Paul“ in der Martinikirche, auf Präsentation des dazu befugten Rates.

 Ist uns klar geworden, was hier passierte?

  • Dietrich Peithmann stand ganz auf der katholischen Seite; er war im Grunde die rechte Hand des katholischen Statthalters in Stadthagen.
  • Noch mehr: Er war Kleriker, daß heißt katholischer Geistlicher; er mußte also katholische Theologie studiert haben.
  • Dietrich kam nun in den Genuß von einem der beiden katholischen geistlichen Lehen, die noch in der Martinikirche bestanden.

Führen wir uns vor Augen, welches große Aufsehen die Einsetzung des katholischen Klerikers Dietrich Peithmann in dem inzwischen evangelisch gewordenen kirchlichen Bezirk der Grafschaft erregte.

 Probst Köstgen starb zwei Jahre später. Schien jetzt der Weg frei für die Reformation auch der letzten Kirchen und Altäre?

 Alle Augen richteten sich nun auf Dietrich Peithmann. Konnte sich der katholische Vikar in der überwiegend protestantisch genutzten Kirche angesichts des wachsenden Einflusses der neuen Lehre halten? Blieb er der überkommenen Lehre treu, mußte er die Stadt seiner Väter verlassen – kaum ein Einheimischer war dazu bereit.

Der andere Weg war, zu bleiben und gemäß der neuen Lehre zu predigen. Aber gerade er, der bis zuletzt am katholischen Altar festhielt und den alten Glauben verteidigte, konnte er glaubwürdig einfach umschwenken?

 Keine dieser Möglichkeiten kam für Dietrich in Frage, wollte er in Stadthagen bleiben.

 Oder aber: War Dietrich längst ein Anhänger der neuen Lehre geworden und war die Präsentation Dietrichs durch den Rat der Stadt das Gegenteil von dem, was wir bisher vermuteten, nämlich kein Affront gegen die Befürworter Luthers sondern gegen die Papisten, wie sie damals von den Lutheranern genannt wurden, und vor allem gegen Probst Köstgen, der dieses Angebot schlucken mußte?

 Dies ist eine letztlich schwer zu beantwortende Frage angesichts der ungeklärten Lage, der Überlagerung und Überschneidung von katholischen und lutherischen Einflüssen in den verschiedenen öffentlichen Gremien und auch angesichts des Prozesses, den ja jeder einzelne durchmachte. Auch die stadtgeschichtliche Literatur Stadthagens kennt hier keine eindeutigen Aussagen.

 Dietrichs Werdegang in den folgenden Jahren ist zwar nicht überliefert, aber gerade das spricht bei ihm für seine Einsetzung als katholischer Kleriker am Altar „Peter und Paul“ und damit für einen langen Prozeß der Umorientierung. Wir kennen nur das spätere Ergebnis der Wandlung:

 Er wechselte vom Alter zum Rathaus, er tauschte den Klingelbeutel der Kirche mit dem Geldsack der Stadt – er wurde Kämmerer, Finanzverwalter von Stadthagen, ein für Glaubensrichtungen unverfängliches Amt.

 Dietrichs Leben soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Es sei nur erwähnt, daß er 1572 Bürger in Stadthagen wurde und in erster Ehe mit Hille Holltorp verheiratet war. Nach deren Ableben ehelichte er, der ehemalige katholische Kleriker, die Tochter Jacob Dammanns, des Reformators der Grafschaft Schaumburg, ausgerechnet sie!

 Vergegenwärtigen wir uns die Wandlung, die Dietrich durchgemacht haben muß. In damaliger Zeit war eine Eheschließung in erster Linie ja keine Angelegenheit zwischen den beiden Heiratswilligen. Die gesellschaftliche Übereinstimmung beider Familien konnte ja erst eine Verbindung anbahnen; und in dieser Zeit war besonders in diesen Familien die Glaubensrichtung von entscheidender Bedeutung. Mit anderen Worten: Dietrichs Ehe mit der jungen Elisabeth Dammann hatte zur Voraussetzung, daß er längst ein Anhänger der neuen Lehre geworden war.

 Von Dietrichs Kindern, die seine beiden Frauen ihm gebaren, kennen wir sieben mit Namen, darunter eine Tochter. Von den sechs Jungen finden wir gleich vier später als Studenten der Theologie wieder.

 Auch dies ist ein Zeichen seiner starken Hinwendung zur lutherischen Lehre, sicher auch ein Einfluß seines Schwiegervaters, des Reformators Dammann, auf die Peithmann-Enkel.

 Doch es stellt sich hier eine neue Frage: Woher nahm Dietrich das Geld für die Finanzierung des Studiums von gleichzeitig vier Söhnen?

Als einfacher Bürger war er mit seinem Kämmerergehalt dazu nicht in der Lage, zumal die Schatten des 30-jährigen Krieges heraufzogen. Mit der Beantwortung dieser Frage schlagen wir ein erregendes Kapitel der Peit(h)mann-Familiengeschichte auf, in dem zugleich die weitere Richtung wesentlich bestimmt wird.

 Vor Dietrich hatte schon sein mutmaßlicher Bruder Statius Peithmann, Lateinschulrektor in Stadthagen, die Altarstiftung „Petri und Pauli“ inne. Er behielt sie bis zu seinem Tode 1562. Dann heißt es: Dietrich erhielt das durch den Tod Statius Peithmanns freigewordene Lehen Petri und Pauli auf Gesuch seiner Brüder Franz und Ludeke – sein Vater Thomas war wohl schon gestorben – als Nächstberechtigter. Hierbei wurde ein gewisser Statius Brüning, der Landrichter in Jever war, übergangen. Dieser hatte als angeblich nächster Blutsverwandter des Stifters das Lehen bis zu seiner Verheiratung in Anspruch genommen – nur bis zu seiner Verheiratung -, wie das bei katholischen Klerikern nicht anders möglich war. Dieser Brüning war nun vergeblich mit der Bitte an den Rat der Stadt getreten, das Lehen auf einen seiner Söhne zu übertragen.

 Und nun wechselt die Stiftung zwischen den Familien Brüning und Peithmann. 1571 hatten Dietrichs mutmaßliche Brüder Ludwig und Ludeke das Lehen inne. Zwei Jahre später wiederum erhielt es Heinrich Brüning, Sohn des inzwischen verstorbenen Statius Brüning.

 1582 nun wurde Dietrichs Sohn Hermann die Zuwendung zuteil.

 Spätestens hier müssen wir betonen, daß das Lehen wohl nicht mehr an eine Vikarie in der Martini-Kirche gebunden war, denn die katholischen Nebenaltäre waren längst aufgelöst, darunter auch der Altar „Peter und Paul“, weil sich die neue Lehre überall durchgesetzt hatte.

 Uns so wurde auch der Begriff „Lehen Petri und Pauli“ mehr und mehr ersetzt durch den Begriff „Lindemannsches Lehen“, benannt nach dem Stifter Statius Lindemann. Es diente jetzt ausschließlich zur Finanzierung eines Studiums – als ehemaliges geistliches Lehen für das Studium der Theologie, nun evangelische Theologie.

 Hermann war der erste evangelische Peithmann-Pastor, der aus dieser Stiftung sein Studium finanzierte. 1590 erhielt Hermanns Bruder Ludwig das Lehen, nach dem Verzicht Heinrich Brünings, wie es in den Akten heißt.

 Klar, daß Dietrich in dieser Stiftung d i e Möglichkeit sah, viele seiner Söhne Theologie studieren zu lassen.

 Ja, wenn nicht die Familie Brüning gewesen wäre, in der offensichtlich genauso gedacht wurde, und die ihm im Nacken saß. Beide Familien wollten das Geld für ihre Söhne sichern. Nach dem Hin und Her in den 70er und 80er Jahren kam es nun endgültig zum Streit zwischen beiden Familien. Und in Geldangelegenheiten kannte Dietrich offenbar keine Rücksicht. Hatte er dadurch einen Vorteil, daß die Brüningsche Familie außerhalb wohnte und er nicht nur Bürger war, sondern auch das so bedeutende Amt des Stadtkämmerers innehatte? Die Zuteilungsentscheidung lag nun beim Rat der Stadt Stadthagen, nachdem dieses Gremium in katholischer Zeit nur das Präsentationsrecht besessen hatte.

 Der Kampf um das Geld beginnt mit einem Beschwerdebrief, den im November 1590 ein Christoph Sander, Oberverwalter der Münze in Goslar, im Auftrage seiner beiden Stiefsöhne, Heinrich und Steffen Brüning, an den Rat der Stadt richtet. In dem Brief wirft er Dietrich Peithmann vor, er habe nach dem Tode des Vaters seiner Stiefsöhne, der ein Bruder Statius Brünings war, das Lehen widerrechtlich an sich genommen. Dietrich Peithmann sei zum Lehensstifter Statius Lindemann nicht so nahe blutsverwandt wie seine Stiefsöhne! Dietrichs Mutter sei nur die Halbschwester zum Vater der Brüning-Kinder.

 Dietrich bestreitet das. Er könne Beweise dafür beibringen, daß er näher zu Lindemann verwandt sei. Er habe das Lehen nicht nur für seine Söhne Hermann und Ludwig zu recht erhalten, sondern es stehe auch noch seinen z. T. minderjährigen und unmündigen Kindern zum Studieren zu – also den Kindern aus seiner zweiten Ehe mit Elisabeth Dammann.

 Ergebnis: Dietrich hatte mit seiner Gegenbeschwerde Erfolg: Nach dem Tode Ludwigs Peithmanns bekam das Lehen 1599 dessen Halbbruder Ludwig und später auch noch Ludolph.

 Aber wer war nun dieser Statius Lindemann, dem die Peithmann so viel verdanken? Und in welcher Verbindung stand Dietrich mit ihm? Statius Lindemann war Geistlicher in katholischer Zeit. 1476 hat er die Bezeichnung „Kleriker der Diözese Minden“. 1495 und 1505 wird er in Stadthagen als Vikar bezeugt. Offensichtlich war er trotz seines geistlichen Amtes vermögend, denn er kaufte in Stadthagen zwei Häuser. 1521 wird von seinem Testament berichtet, das den beiden neuen Vakarien zum Altar St. Nikolai in der Kapellenkirche zukommen soll. Eine der Vikarien ist sicher identisch mit der von „Petri und Pauli“, dem späteren Lindemannschen Lehen.

 Die Aufdeckung der Verwandtschaftsbeziehungen der Peithmann und der Brüning sind anhand der Akten im Stadtarchiv Stadthagen ziemlich kompliziert – auch aufgrund der vielen Zweitehen der Beteiligten. Unser verstorbener Familienforscher Heinrich Peithmann in Rostock hat sich dieser Aufgabe mit Ausdauer gewidmet. So viel scheint klar: Statius Lindemann ist der Urgroßvater zu Dietrich Peithmann, seine Großmutter mütterlicherseits ist Anneke Lindemann, eine Tochter des Statius Lindemann.

 Daß die Brünings Blutsverwandte zu Lindemann sind, können wir nicht nachvollziehen. Der Lehensinhaber Statius Brüning, von dem schon mehrfach die Rede war, kann nur ein Stiefsohn der Lindemann-Tochter sein.

 Aber wir wollen der Lösung dieser Frage hier nicht weiter nachgehen. Erstaunt bin ich nur darüber, daß ihr, meine lieben Zuhörer, dies alles so widerspruchslos hinnehmt, was ich hier erzähle! Ist denn keiner von euch darauf gekommen, daß Statius Lindemann im Grunde gar keine Kinder haben konnte? Er war katholischer Priester und damit zum Zölibat verpflichtet, also ehelos.

 Ja, unser Vorfahre lebte zölibatär, er hatte tatsächlich keine Frau – aber trotzdem Kinder, und wohl nicht zu wenige. Von wem? Nun, in den Akten steht es ganz freimütig: von seiner Magd; wir kennen sogar ihren Namen, sie hieß Wobbecke Junging.

 Und damit müssen wir festhalten: Alle hier versammelten Peithmann mit „th“ und alle Nachkommen dieser sind nachgewiesenermaßen unehelicher Abstammung. Keine Frage! Ihr kommt alle frohen Mutes zum Familientag und müßt nun diese ernüchternde Nachricht zur Kenntnis nehmen!

 Aber zur Ehrenrettung Statius Lindemanns und zu unserer „Entlastung“ füge ich hinzu: Der Begriff „Magd“ hat seither einen Bedeutungswandel durchgemacht, ebenso wie das Wort „Weib“. Unter „Magd“ müssen wir uns eine durchaus angesehene Haushälterin vorstellen, mehr noch, eine Frau, mit der er in eheähnlicher Gemeinschaft lebte. Um dem zölibatären Anspruch der Kirche zu genügen, durfte sie zwar praktisch das Leben einer Ehefrau führen, nur nicht kirchlich und damit rechtlich eingesetzt und so genannt werden. Es war übrigens eine eheähnliche Verbindung mit rechtlichen Konsequenzen einer Partnerschaft, wie sie auch heute üblich sind. So vermachte Statius Lindemann sein großes Vermögen zunächst seiner Magd Wobbecke Junging, und erst nach deren Tode ging das Testament auf die beiden Vikarien in der Martinikirche über.

 Dietrichs ältester Sohn Hermann muß um 1574 geboren sein. Er studierte seit 1594 an der Universität Helmstedt. 1600 wurde er in Wittenberg immatrikuliert. Von Hermann ist nur wenig überliefert. Erst nach langem Suchen fand ich etwas über sein Leben, in einem 1786 erschienenen Buch von Johann Conrad Paulus, Pfarrer zu Möllenbeck, mit dem Titel: „Nachrichten von allen Hessen-Schaumburgischen Superintendenten, Kirchen und den dabey von der Zeit der Reformation bis jetzo gestandenen und noch bestehenden Predigern.“

 Zitat: „Hermann Peitmann, geboren zu Stadthagen, wo selbst sein Vater Theoricus Peitmann, Camerarius, und seine Mutter Elisabeth, eine Tochter des dasigen ersten evangelischen Predigers Jacob Dammann war. Was er für Schulen und Academien besucht, davon habe (ich) keine Nachricht finden können. Nach dem Tode Johannes Finen Anno Domini 1606 wurde er dessen Nachfolger hier im Amte (in Grossen Nenndorf). Verheiratete sich hierauf mit Margaretha, des Conrad Menschings, ersten evangelischen Predigers zu Apelern, Tochter. Lebte hiernächst noch bis 1626. In welchen Jahre er den 15ten September, nachdem er zuvor von vielen Flüssen des Haupts ein Auge verlohren, an der damals in dieser Gemeinde stark grassierenden rothen Ruhr als ein frommer und exemplarischer Prediger, sein Leben beschlossen. Von seinen Kindern weiß ich nur eine Tochter, Namens Anna anzuführen, welche Ludwig Wolbrecht, Paster zu Hagenburg zur Ehe gehabt und 1675 verstorben.“

 In diesem Text finden wir den Hinweis, daß Hermann Peithmann an einer der im 30-jährigen Krieg wütenden Seuchen starb und nur um 50 Jahre alt wurde.

 Wir kennen mindestens 5 Kinder, von denen Johann, der wohl älteste, 1648 Bürger und Kaufmann in Stadthagen war, Vater der Anna Ester Peithmann, der wir unseren Wappenstein in Petzen bei Bückeburg verdanken.

 Hermann, als ein in Stadthagen geborener Bürgersohn, erwarb 1614 in seiner Vaterstadt das Bürgerrecht, obwohl er dort nicht wohnte, aber dort ein Haus besaß. So erscheint sein Name öfter in den Akten des Stadtarchivs.

 Zwei weitere Söhne Dietrichs haben auch Theologie studiert, verstarben aber vor Beendigung.

Ludwig erhielt – vorsorglich – 1590 das Lindemannschen Lehen, er begann 1598 das Studium in Helmstedt, wo er ein Jahr später verstarb. Jacob, sicher schon ein Sohn Elisabeth Dammanns, wurde 1610 in Helmstedt immatrikuliert. Dann verliert sich seine Spur.

 Wenden wir uns Ludolph Peithmann zu, einem der bedeutensten Peithmann-Theologen. Er wurde 1593 geboren. Seine Mutter war Elisabeth Dammann.

 In seinem Buch „Vermischte Beytraege zur Geschichte der Graffschaft Schaumburg“ berichtet der Chronist Carl Anton Dolle 1753, Ludolph Peithmann habe „die Dero Zeit weit und breit berühmte Schule zu Stadthagen und andere Orte besuchet; auch hiernächst seine academischen studia vollendet“. Er verbrachte also die ersten Semester am „Gymnasium illustre“, einer hohen Schule mit vier Fakultäten, die in Stadthagen von 1610 bis zu ihrer Verlegung nach Rinteln 1621 bestand. Das Verzeichnis der Universität Helmstedt weist ihn als Student im März 1611 aus. 1615 besuchte er wieder die hohe Schule seiner Vaterstadt. Aus diesem Jahre wird im Staatsarchiv Bückeburg eine Liste aufbewahrt, auf der 33 Namen solcher Studenten verzeichnet sind, die für die Beihilfe des damals regierenden Grafen und späteren Fürsten Ernst zu Holstein-Schaumburg für würdig befunden wurden, u. a. mit „Dietrich Peitmanns Sohn“. Er erhielt das große gräfliche Stipendium von jährlich 30 Talern.

 Nach Angaben des Geschichtschreibers Eberhard David Hauber aus dem Jahre 1728 disputierte Ludolph Peithmann 1615 unter den Theologieprofessoren Anton Mensching und Josua Stegmann in Stadthagen. Josua Stegmann ist der Verfasser des bekannten Kirchenliedes: „Ach bleib mit deiner Gnade …“

 Carl Anton Dolle schreibt in seiner „Bibliotheca Historiae Schauenburgicae“ (Bückeburg 1751), Ludolph Peithmann habe „über etliche Positiones aus allen Teilen der Philosophie 1620 zu Giessen disputieret.“ Es folgte in Gießen 1621 (als Teil seiner Dissertation) eine theologische Disputation. In der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover wird seine in Gießen 1622 gedruckte lateinische Dissertationsschrift mit dem Titel „Anti – Crociana“ aufbewahrt.

 Nachdem er 1620 in Gießen zum Magister promoviert worden war, wechselte er nach Rostock. Im Juni 1623 wurde „Mgr. Ludolphus Peitmannus Stadthaga-Schawenburgicus“ – so steht es dort – in der Universität Rostock eingeschrieben.

 Der Magister Ludolph Peithmann übernahm an der Universität Rostock wohl bald ein Lehramt und „lehrte daselbst mit vielen Beyfall die Philosophischen Wissenschaften“ (Dolle 1753). In der „Kurtzgefaßten Geschichte der Graffschaft Schaumburg“ (Stadthagen 1756) ergänzt Dolle: „…lehrte er mit grossem Ruhm die Weltweißheit und andere Wissenschaften zu Rostock, hielt auch praesidendo über die gantze Ethic in den Jahren 1623 und 1624 öffentliche Disputationen daselbst.“

 Von Rostock wurde Ludolph Peithmann als Rektor an die Schule der ebenfalls im damaligen Herzogtum Mecklenburg liegenden Neubrandenburg berufen und bald darauf zum Prediger an der Kloster- und Georgenkirche dieser Stadt ernannt.

Von 1629 bis 1639 war Ludolph Pastor an der Marienkirche in Neubrandenburg. Während dieser Zeit erlebte er die Eroberung der Stadt durch kaiserliche Soldaten, wovon bereits die Rede war. „Bey diesem Amte muste er des Krieges Uebel zur Zeit des dreißig Jährigen Krieges gar hart empfinden, wie er denn so gar am 9. März 1631 bey der Einnahme der Stadt unter den Kayserlichen General Tylli, von einem Soldaten gar hart am Haupte verwundet wurde“ – so der überlieferte Text in der „Chronik der Vorderstadt Neubrandenburg“ von Franz Boll (1875), der sich auf einen Tatsachenbericht eines Erasmus Pontanus beruft.

 In seiner Neubrandenburger Zeit heiratete Ludolph Peithmann Anna Ester Koch (Coccius). Sie war die Tochter des Magisters Georgius Coccius (Georg Koch), Rektor an der Lateinschule in Stralsund und anschließend Pastor an der Klosterkirche sowie Diakon an St. Marien in Neubrandenburg. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, die beide schon zu Lebzeiten der Eltern starben.

 1639 kehrte Ludolph in seine Vaterstadt zurück. Am 10. Juli wurde er zum ersten Prediger an die St.-Martini-Kirche Stadthagens berufen. Er litt wohl auch jetzt noch immer an den Folgen seiner Verwundung im Dreißigjährigen Krieg. Denn in der „Historischen Beschreibung der St.-Martini-Kirche zu Stadthagen“ aus dem Jahre 1933 wird über ihn berichtet: „Kränklich trat er am 21ten Decr. die hiesige erste Stelle an. Er ward nicht Superintendent, hatte aber den Titel Senior und wohnte als solcher der großen durch die Gräfin Regentin Elisabeth, Schwester des Grafen Philipp, veranstalteten Kirchenvisitation bey, welche den Zweck hatte, die vielen durch den Dreißigjährigen Krieg verursachten Unordnungen zu beseitigen.“

 Mit nach Stadthagen gebracht hatte Ludolph seine umfangreiche Bibliothek, zumeist theologische und philosophische Bücher. Der Grundstück stammte aus der Erbschaft von seinem Schwiegervater Georgius Coccius. Es sind zum Teil wertvolle Frühdrucke, entweder mit dem Vermerk „Ex heriditate Coccii“ oder allein mit seinem Signum versehen. Sie werden im Niedersächsischen Staatsarchiv Bückeburg aufbewahrt und können dort eingesehen werden.

 Von Ludolph Peithmann sind drei Predigttexte überliefert, alle gedruckt bei dem damals sehr bekannten Universitätdrucker in Rinteln, Peter Lucius. Sie tragen folgende Titel:

1614: „Eheschmuck christlicher Ehefrauen“,

1645: „Klag-, Lehr- und Trostpredigt“ (zur Beerdigung der Fürstin 
Hedwig, nachgelassene Witwe des Fürsten Ernst),

und zwei Jahre zuvor,

1642: „Frommer Christen Angstwetter und lieblicher Sonnenschein“.

Diese Predigt wurde in Auftrag gegeben von der Adelsfamilie von Walde aus Anlaß der Beerdigung des Marcus von Walde.

 Als Beispiel möchte ich diese Predigt vorstellen. Wie alle Prediger damals, so mutete auch Ludolph Peithmann seinen Zuhörern viel zu – jedenfalls nach heutiger Einschätzung. In jener Zeit war das ausgiebige Predigthören ein ganz normaler, regelmäßiger Vorgang. – Diese Predigt dauerte etwa 3,5 Stunden – ohne die Lithurgie des Gottesdienstes mitgerechnet. Wenn wir wirklich die Spur Ludolph Peithmanns aufnehmen, seinen Gedanken folgen und seine Zeit zur Sprache bringen wollen – und das ist unser Anliegen heute -, kann ich nicht umhin, diese Predigt im Wortlaut vorzutragen.

 Da man den Menschen unserer Zeit, und wir hier sind ein Teil von ihnen, nicht mehr das Maß an Konzentration und Geduld zumuten darf und man auch nicht mehr die Bereitschaft zu einem ein- bis zweistündigen Nickerchen in der Kirchenbank voraussetzen kann, beschränke ich mich auf etwa ein Neunzigstel der Predigt, d. h. auf einen zwei- bis drei-Minuten langen Ausschnitt.

 Um der Zeit, der damaligen Sprache so nah wie möglich zu sein, versuche ich, den Text in der ursprünglichen Fassung zu lesen. Er bleibt durchaus verständlich, auch wenn etliche Formulierungen und Ausdrücke heute nicht mehr gebräuchlich sind.

 Eine Bemerkung zuvor: Der Prediger Ludolph Peithmann hätte es sicher nicht gebilligt, seine Predigtworte heute als historischen Quellentext abzuwerten. Dazu habe auch ich Vorbehalte. So bitte ich Euch, diese Sätze als das zu hören, was sie sind: Ausgelegtes Wort Gottes an Menschen der damaligen Zeit und, was hindert es, auch an uns.

Ein Wort zum inhaltlichen Aufbau und Verständnis. „Frommer Christen Angstwetter und lieblicher Sonnenschein“: Christen sind von Wetterstürmen des Lebens, wie Angst, Bedrohung, Krieg, Hunger, Trübsal, Armut, Krankheit, Not und Tod nicht ausgenommen, aber – und das unterscheidet sie von anderen: Ihnen scheint a u c h die Sonne Gottes. Als e i n e n Sonnenschein bezeichnet Ludolph z. B. die Allmacht des Schöpfers, als einen anderen die Gnade, die Liebe.

 Und nun blenden wir uns auf Seite 57 in seine Predigt ein.

 „Der dritte liebliche Sonnenschein und Gnadenblick unter dem schweren Creutzwetter ist die Verschwindung und Hintertreibung aller Furcht. So spricht der Herr: Fürchte dich nicht.

Traurig war vor Zeiten Erzvater Jacob die Bottschaft, da ihm seine Söhne den bunten Rock in Blut geträngt hinschickten und sagen

liessen: Diesen haben wir funden, siehe obs deines Sohnes Rock sey oder nicht? Denn weil er ihn als bald erkandte, schloß er, ein wildes Thier hatte Joseph gerissen, und betrübte sich dermassen, daß er für Leyde sterben wollte.

 Traurig war die Bottschaft, welche Cusi dem Könige David von Absolons Untergang brachte und sprach: Es müsse allen Feinden meines Herren Königs gehen, wie es Absolon gehet. Deswegen er auch sich des Weinens und Klagens nicht enthalten konnte. Traurig war eine jede Bottschaft, welche ein Bote nach dem andern dem frommen Job brachte, da einer den Verlust seiner Rinder und Eslin, der andere den Verlust seiner Schafe, der dritte den Verlust seiner Cameel, der vierte den Verlust aller seiner Kinder vermeldete. Darumb er auch ganz bestürzt und höchlich betrübet ward.

 Traurig ist auch bey uns in jetziger beschwerlicher und gefährlicher Zeit eine Bottschaft über die andere. Män höret und erfähret viel Neues, wenig gutes. Daher kömpt es, daß manch frommes Hertz, welches ein Christliches nachdencken hat, und etwas weiter siehet und sinnet, als sie sichern, (d)tummen Weltkälber in Kummer und Jammer einhergeht, seufftzet, weinet und klaget. Doch aber unter so mancher hertzkränckenden Trauerpost höret an fröliche Zeitung. Woher? Nicht irgends auß einem Kriegslager auff Erden, sondern vom Himmel herab. Gott selben sendet und erwecket dir seinen Propheten, und lest uns verkündigen lauter gutes, so viel Gutes, daß sich alle betrübte Creutz-Träger in ihren Aengsten darüber höchlich zu freuen haben.

 Wenn jetzo einer zum andern kömpt, so ist die meiste und größte Frage: Was muß es immermehr seyn, das unser Gott vom Himmel herab durch den Porpheten Esajam avisiren und vermelden leßt?

Es leßt dir Gott vom Himmel durch den Propheten vermelden, Er habe sein hertz mit Gnaden zu dir gewand, du sollst dich nicht mehr unter den großen Wasserwogen und Sturmwinden unter dem Creutzwetter fürchten oder gedencken, er sey dein feind, sondern im Kindlichen vertrauen für ihn treten und beten: Abba, liebe Vater.“

 Zuspruch für Menschen in der Not des Dreißigjährigen Krieges – gerade deshalb habe ich diesen Abschnitt ausgewählt -. Auch diese Predigt durchzieht wie ein roter Faden das, was Luther umgetrieben hat, die Rechtfertigung des Sünders. Und Ludolph Peithmann, dessen Großvater Dammann noch beim Lutherfreund Philipp 

Melanchthon studiert hat, ist ganz und gar Lutheraner. Und so sollten wir uns eine Stelle aus der Predigt nicht entgehen lassen, mit der er uns Luthers Rechtfertigungslehre handgreiflich vor Augen führt.

 Ludolph fährt fort: „Zu Wittenberg hatte sich ein Weib, die zuvor des Herrn Lutheri Kindermagd gewesen, mit Leib und Seel dem Teuffel ergeben. Darüber fiel sie nachmals in grosse Angst und Traurigkeit. Herr Lutherus gieng zu ihr und fragte, warum sie so betrübt sey? Ach sprach sie, Ach lieger Herr, wie sol ich nicht trauern? Ich habe mich von Gott abgewand, und dem Satan ergeben. Lutherus antwortete: Gieb dich zufrieden, diß ist nichts. Hastu keine grössere Sünde gethan, die dein Hertz kräncken? Ach, ach, sprach sie, mein Herr Doctor, wie könte ich doch grössere Sünde begehen, denn diese? Lutherus antwortete: Ich sage noch einmahl, d i e Sünde ist nichts: Hastu sonst nichts ärgers gethan? Ich weiß viel grössere Sünde. Das were die grösseste Sünde, wenn du darinnen woltest verharren und verzweiffeln. Höre doch, kanstu auch einem andern sein Geld, sein Buch oder Rock weg geben? Nein, sagte sie, denn es ist nicht mein.

 Wolan, sprach Lutherus, so kanstu dich selber auch nicht weg geben, denn du bist nicht dein. Der HERR Jesu hat dich theuer erlöset, des Eigenthumb bistu. Du bist deiner nicht mächtig, darumb kanstu nicht eines Fingers breit von dir weg geben. Sage dem Teuffel den Kauff wieder auff, und sprich: Höre du verfluchter Geist, ich gestehe dir keine Zusage. Wiltu was haben, so gehe hin, und erlange es zuvor von meinem Herrn Jesu, der wird dir das höllische Feur auff deinen losen Kopf geben.“

 Rechtfertigung des Sünders – allein aus dem Glauben. Hier sagt Ludolph mit dem Munde von Luthers Magd, wie das praktisch geht. Mit den überaus drastischen Worten, zu denen Luther ja bekanntlich fähig war.

 Im letzten Abschnitt seines Lebens – Ludolph wurde 55 Jahre alt – hat er nicht mehr predigen können. Er mußte diese Jahre „wegen Schwachheit“ meistenteils auf dem Kranken- und Sieg-Bette zubringen und hat den 11. Juni 1648 sein Leben beschlossen … .“

So schreibt Dolle.

Schon 3 Jahre vorher war von Bürgermeister und Rat zu Stadthagen Ludolph Peithmann und seiner Frau neben dem Altar in der St.-Martini-Kirche „ein freies Begräbnis bewilligt“ worden. Bis auf den heutigen Tag hängt an der Westwand der St.-Martini-Kirche neben den Bildern seiner Vorgänger im Amt des Oberpredigers, Jacob Damman und Johann Heinecke, ein lebensgroßes Gemälde Ludolph Peithmanns. Die deutsche Übersetzung der lateinischen Unterschrift lautet: „Ein für sein Jahrhundert ungewöhnlich menschenfreundlicher, frommer, gelehrter und beredeter Mann.“

 Seine Frau Anna Ester überlebte ihren Gemahl um fast 26 Jahre. Ihr Testament aus dem Jahre 1672 wird im Stadtarchiv Stadthagen aufbewahrt. Sie vermachte ihren Nachlaß den Töchtern der Brüder ihres Mannes Ludwig und Thomas. Es ist genau aufgezeichnet, wer zur Testamentseröffnung am 08.12.1674 aus der Verwandtschaft erschienen war. So weit das Lebensbild Ludolph Peithmanns.

 Ludolphs Vater, Dietrich Peithmann, hatte nicht nur für seine Söhne Hermann, Ludwig, Jacob und Ludolph das Lehen gesichert, sondern ebenso für seine ferneren Nachkommen.

 Auch nachdem etwa Mitte des 18. Jahrhunderts die Zahlungen aus der Lindemannschen Stiftung eingestellt worden waren, setzte sich in den Peithmann-Familien die Tradition fort, Theologie zu studieren. Und so kommen wir nicht darum herum, uns weiteren Pfarrern in unseren Familien zu widmen. Im übernächsten Jahr etwa wäre der Ort Gehrde bei Bersenbrück im heutigen Großkreis Osnabrück ein geeigneter Platz für ein Peithmann-Treffen, amtierten doch dort nacheinander Großvater, Vater und Sohn als Pastoren, zudem im Nachbarort ein weiterer Sohn. Diesmal handelt es sich um Theologen, die weniger durch geistliche Kompetenz von sich reden machten, bei allem Respekt gegenüber ihren Fähigkeiten als Prediger und Seelsorger, wie wir hören werden, vielmehr durch Originalität im täglichen Leben auffielen, worüber viele humorvolle und kurzweilige Geschichten überliefert sind.

 

Dennoch: Mancher von uns mag sich durch das Übergewicht der Pfarrer in unserer Familiengeschichte beinahe erdrückt fühlen. Aber wir Nichttheologen, die wir mindestens heute unangefochten in der Mehrzahl sind, wir dürfen uns trösten: Von den 25 Theologen mit dem Namen Peithmann werden wir in Gehrde gleich vier auf einmal familiengeschichtlich abhaken, so wie uns das auch hier in Nenndorf mit vier auf einem Streich gelungen ist.

Wilhelm Meier-Peithmann