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Gehrde

Drei Generationen Pastor Peithmann in Gehrde (19.9.1998)

Drei Generationen Pastor Peithmann in Gehrde

                                          Vortrag auf dem Peit(h)mann-Familientag in Gehrde

Liebe Verwandte und Freunde!

 Seit einem knappen Jahrzehnt begehen wir den Peit(h)mann-Familientag an jährlich wechselnden Orten in den Stammlanden unserer Familie zwischen Hannover und Osnabrück mit dem Schwerpunkt in den heutigen Kreisen Schaumburg und Minden-Lübbecke. Es gehört zur Tradition der Treffen, dass wir die Vorfahren in diesen Städten und Dörfern vorstellen, aus ihrem Leben im Zusammenhang zeitgeschichtlicher Umstände berichten, ihr Wirken würdigen.

Gleichzeitig zählt ein Rundgang durch den historischen Kern unseres Gastortes zum festen Programm; und wir schätzen uns glücklich, wenn wir auf frühe Peit(h)mann-Stätten stoßen.

 Heute haben wir uns in freudiger Erwartung auf den Weg gemacht nach einem der schönsten ländlichen Orte Niedersachsens mit prächtigen Fachwerkhäusern in idyllischen Straßenwinkeln. Hier in Gehrde durften Familienangehörige Peithmann schon von je her besondere Gastfreundschaft genießen. Den Grundstein dazu legten die drei Pfarrer Peithmann, die in dieser Gemeinde fast ein Jahrhundert lang ohne Unterbrechung amtierten: Großvater, Vater und Sohn. Diese gegenseitige Treue von Gemeinde und Seelsorgerfamilie wirkt lange nach. Als ich vor 20 Jahren zur Familienforschung erstmals nach Gehrde kam, wurde ich von dem damaligen Pfarrerehepaar Schwarz noch wie ein Amtsbruder Peithmann empfangen und bewirtet. Gemeinsam haben wir im Wohnzimmer des Pfarrhauses die Kirchenbücher durchgearbeitet, haben die ortsgeschichtliche Literatur befragt und uns dann in Kirche, Häusern und Straßen umgesehen. Kaum anders erging es unserem Vorsitzenden Vetter Hermann mit seiner Frau Elisabeth, als sie Anfang dieses Jahres zur Vorbereitung des Familientages die Verbindung nach Gehrde wieder aufnahmen. Bürgermeister Specht und Pastor Schrader sagten gleich ihre Unterstützung für unser Vorhaben zu. Pastor Schrader stand auch dem Arbeitskreis der Peit(h)mann-Familien anlässlich seiner März-Sitzung hier in Gehrde für eine Führung durch die Kirche zur Verfügung, der sich ein anregendes Gespräch anschloss.

 Und heute sind wir alle hier in Gehrde zu Gast, zum ersten Mal in der Geschichte des Familienverbandes in den Räumen einer Kirchengemeinde.

 Es sind nun 171 Jahre vergangen, seitdem der letzte Pastor Peithmann in Gehrde seinen Dienst versah. Und doch findet man unseren Familiennamen noch mehrfach an herausragender Stelle im Ortsbild. Jeder aufmerksame Besucher der Kirche, jeder umsichtige Gast im Bürgermeisteramt wird den Schriftzug Peithmann entdecken. Doch bevor wir unsere gemeinsame Spurensuche beginnen, wollen wir die Persönlichkeiten näher kennenlernen, auf die sich diese Schriftmale beziehen.

 Wie kommen Familienangehörige Peithmann von Schaumburg-Lippe nach Gehrde im eher abgelegenen nördlichen Teil des ehemaligen Fürstbistums Osnabrück? Wer sich ein wenig in unserer Familien-Geschichte auskennt, wird auf den Bad Essener Konsistorialrat Ludwig Peithmann verweisen. Zur kurzen Erinnerung: Ludwig, Sohn des gleichnamigen Magisters und Rektors in Bückeburg, nahm nach seinem Studium im Heer des Herzogs und späteren Kurfürsten Ernst-August von Braunschweig-Lüneburg von 1685 bis 1688 am Türkenfeldzug in Griechenland teil und wurde bald nach Rückkehr mit der vakanten Pfarre in Bad Essen belohnt, nachdem Ernst-August auch Fürstbischof von Osnabrück geworden war.

 Ludwig Peithmann hatte mit seiner Frau Catharina Margarethe Sickmann 11 Kinder; von den 6 Söhnen wurden 3 Pfarrer, darunter der im Jahre 1705 geborene Sohn Clamor Albert, auch Clamor Albrecht genannt. Der in damaligen Adelskreisen gebräuchliche Name Clamor rührt von seinem Patenonkel Clamor Albert von dem Bussche her, Erbherr auf Gut Hünnefeld, Patron der Essener Kirche.

Wie zwei seiner älteren Brüder begann er in Halle sein Studium und wechselte ein Jahr später nach Jena, wo auch schon sein Vater und insgesamt 5 seiner Brüder studiert hatten bzw. studierten. Noch während seines dortigen Aufenthaltes starb sein Vater 1735.

 Im Frühsommer 1737 wurde ihm als Kandidat der Theologie eine pfarramtliche Aufgabe angeboten: Der damalige Pastor in Gehrde, Johann Hinrich Heilersieg, war ernstlich erkrankt und konnte die Pfarrgeschäfte nicht mehr versehen. Patron der Kirche war das Kloster Bersenbrück. Und so ernannten „Äbtissin, Priorin, Seniorin und sämtliche Fräuleins des Adelichen Gotteshauses Bersenbrück“ am 13. Juli 1735 den „Wohlerwürdigen und Hochgelährten Candidaten der Theologie, Clamor Albrecht Peithmann, zu seinem ständigen Adjunkten“, d. h. Gehilfen, Vertreter. Man machte ihm auch Hoffnung auf die Übertragung von Heilersiegs Pfarrstelle. Das Kloster stellte aber eine für den Uneingeweihten sonderbare Bedingung. Man erwartete, dass er den Repräsentanten des Klosters „alle schuldige Ehrerbietung“ bezeige und auch „im Predigen sich allen Schimpfens und Schmähens“ enthalte. Normalerweise wird ein Pastor seinen Patron, von dem er in mancherlei Beziehung, vor allem in materiellen Dingen, abhängig ist, nicht beschimpfen und schmähen, schon gar nicht öffentlich von der Kanzel. Hatten die Vorgänger Peithmanns keine Rücksicht geübt? Wenn wir erfahren, dass es sich in Bersenbrück um ein katholisches Kloster handelte, haben wir eine einleuchtende Erklärung angesichts der ständigen Fehden zwischen Katholiken und Lutheranern im Fürstbistum Osnabrück nach dem Westfälischen Frieden. Clamor Albrechts Vater, Ludwig Peithmann, hatte als leitender Konsistorialrat und höchster evangelischer Geistlicher im Fürstbistum besonders unter den – wie er sagte – „Papisten“ zu leiden gehabt, vor allem, wenn bei der wechselnden Bischofsfolge ein katholischer Würdenträger amtierte. Dass die katholischen Nonnen in Bersenbrück von dem Sohn des so Gedemütigten „Schimpfen und Schmähen“ befürchten mussten, scheint nur zu verständlich.

 Das Verhältnis des katholischen Klosters Bersenbrück zu den evangelischen Pfarrern Peithmann in Gehrde wird uns über alle drei Generationen beschäftigen und zur Überraschung vieler – damals wie heute – keineswegs im Sinne der naheliegenden Konfrontation. Ganz im Gegenteil: Pastor Peithmann und „seine“ Nonnen verstanden sich gut!

 Eine Woche nach der Zustimmung des Klosters kam auch die kirchenoberliche Bestätigung durch das Konsistorium, nachdem Clamor Albrecht mit der Probepredigt in der Osnabrücker Marienkirche überzeugt und auch das abschließende theologische Kolloquium bestanden hatte.

 Schon 11 Tage nach Heilersiegs Tod wurde Clamor Albrecht Peithmann in sein Amt als Gemeindepastor von Gehrde eingeführt.

 Nicht nur dienstlich, auch privat ging für heutige Verhältnisse alles atemberaubend schnell. Schon im November desselben Jahres wurde Clamor Albrecht Peithmann durch seinen Schwager Brockhusen aus dem benachbarten Quakenbrück in der Gehrder Kirche getraut. Mit wem? Natürlich, möchte man sagen, mit der Tochter seines Vorgängers Heilersieg. Mag schon die nur dreimonatige Zeit des Kennenlernens für eine Heirat außerordentlich kurz erscheinen, so überrascht das Alter der Braut erst recht: Anna Christina Heilersieg war gerade mal 15 Jahre alt. Eine solche Heirat erschien angesichts der damaligen gesellschaftlichen, moralischen und auch oekonomischen Ordnungen und Zwänge keineswegs ungewöhnlich. Erst eine Eheschließung erlaubte das Zusammenleben unter einem Dach – und ein Mann im Pfarrhaus war in der Notsituation der verbliebenen hilflosen Familie dringend erforderlich. Denn Vater Heilersieg war nur 56 Jahre alt geworden und hinterließ Frau und unversorgte Kinder, dazu einen nicht geringen landwirtschaftlichen Versorgungsbetrieb. Mit der Verheiratung von Anna Catharina an einen Pastor blieb nun die Pfarre mit allen Ländereien und Naturalieneinkünften in der Familie.

 Und auch für einen Kandidaten wie Clamor Albrecht Peithmann bot Gehrde eine höchst willkommene dauerhafte und einträgliche Pfarrstelle, die man unter keinen Umständen ausschlagen durfte. Aber sie hatte den Preis der Einheirat. Und er hatte sich zu entscheiden zwischen Witwe und Tochter, zwischen der vergleichsweise jungen Frau Heilersieg, einer geborenen Freiin von der Horst – sie war die zweite Frau Pastor Heilersiegs gewesen – und der Tochter, die im Grunde noch ein Kind war. Clamor Albrecht entschied sich für die Tochter und damit für eine eigene Familie mit eigenen Nachkommen, bezog aber die Versorgung der schwiegermütterlichen Familie mit ein. Die Pfarrersleute lebten in einem von Vater Heilersieg gekauften eigenen Hause am Friedhof.

 In der Amtszeit Clamor Albrecht Peithmanns bekam die Gehrder Kirche die heute noch erhaltene schöne Turmspitze, die zum Wahrzeichen von Gehrde geworden ist. Auch die Anschaffung der zweitältesten Glocke fällt in die Ära des ersten Peithmann.

 Diese Glocke wurde im 2. Weltkrieg beschlagnahmt und nach Hamburg-Wilhelmsburg verladen. Sie blieb jahrelang verschollen. Erst 1949 erhielt man in Gehrde die Nachricht, dass sie in Wilhelmsburg wieder aufgefunden war.

 Clamor Albrecht Peithmann litt in seinen letzten Lebensjahren an der Lähmung seiner rechten Hand. Vermutlich ist das der Grund für das jahrelange Fehlen von Eintragungen in den sonst von ihm so umfangreich geführten Kirchenbüchern. Zuletzt war er auch nicht mehr im Stande, seinen Dienst als Pastor zu versehen, so dass ihm benachbarte Amtsbrüder beistanden. Er starb 1770 im Alter von 65 Jahren und wurde in der Kirche beigesetzt. Seine Frau überlebte ihn um 25 Jahre – kein Wunder bei dem Altersunterschied.

 Das Paar hatte 8 Kinder. Alle verbliebenen 4 Söhne absolvierten ein Universitätsstudium, 3 Theologie und 1 Jura. Johann Ludwig wurde Pastor in Holte, Clamor Friedrich Pastor im benachbarten Ahrenshorst und Dr. Bernhard Ludwig Advokat in Badbergen. Wir kennen den Lebensweg nur einer Tochter: Eleonore Peithmann heiratete den Gehrder Einwohner Johann Gerd Förste.

 Der 1742 geborene Sohn Christian Wilhelm wurde Clamor Albrechts Nachfolger im Gehrder Pfarramt. Er studierte erst in Helmstedt und dann in Göttingen, wie zwei seiner Brüder auch.

 Schon 7 Tage nach dem Tode des Vaters traf von der Äbtissin und den Konventualinnen des Bersenbrücker Klosters die Bestätigung ein, die lautet: „Wir bezeugen hiermit, dass nachdem durch das jüngsthin erfolgte Ableben des bisherigen Pastoris zu Gehrde, Clamor Albrecht Peithmann, solche Pfarre verlediget worden, wir dessen zweyten Sohn, den Candidato Theologiae, Herrn Christian Wilhelm Peithmann, nachdem uns derselbe wegen seiner Gelehrsamkeit, guten Gaben und ehrbaren Wandels angerühmet worden, zum Pfarrer ernennet haben.“

 Dieses schnelle Handeln deutet auf ein recht einvernehmliches Verhältnis zwischen dem Kloster und dem Pfarramt hin, und man darf vermuten, dass Clamor Albrecht die Gebühr, die für die Verleihung der Predigerstelle an das Kloster zu entrichten war, schon rechtzeitig vor seinem Ableben bezahlt hatte. Diese Maßnahme setzte das Wohlwollen der Stiftsdamen voraus.

 6 Tage darauf hielt Christian Wilhelm seine Probepredigt in der Marienkirche zu Osnabrück über Jesaja 34, Vers 16: „Suchet nun in dem Buch des Herrn und leset!“ Er wurde zum Dienst für „tüchtig“ befunden und am selben Tage auch vom Konsistorium zum Pastor in Gehrde berufen. Nun fehlte noch die Bestätigung des amtierenden Landesherrn, des Königs Georg III. von Hannover, der in Personalunion König von England war und in London lebte. So kam die königliche Bewilligung für die Einsetzung des Pastors am 24.08.1770 aus dem St. James-Palace in London hier nach Gehrde – ein einmaliger Vorgang sowohl für diesen Ort wie auch für die Peithmann-Familie.

 Christian Wilhelm Peithmann war eine markante Persönlichkeit, ein Pastor, der mit beiden Beinen in der Gemeinde stand. Seine zeitgeschichtlichen Anmerkungen und ausführlichen Chronikschilderungen in den Kirchenbüchern weisen ihn als wachen, vielseitig interessierten Beobachter aus, der besonders der Heimatgeschichte zugetan war. Ein Zeitzeuge, der Schulmeister Cramer, gab über ihn folgenden Bericht:

 „Ich sehe diesen ehrwürdigen Seelsorger noch in seinem vollen geistlichen Ornate, im schwarzen Fracke, kurzen Hosen – damit sind keineswegs Shorts, sondern knielange Hosen gemeint! – , mit seidenen Strümpfen, Schuhen mit silbernen Schnallen, auf dem Haupte die schneeweiße, gepuderte Perücke mit schönen, weißen Locken, auf der Kanzel. – Er ist ungefähr 65 Jahre alt geworden. Er war ein treuer Seelsorger, ein talentvoller Kanzelredner. Sein Dienst galt ihm alles. Er war auch ein Freund der Natur, des Ackers … Er war immer thätig.“ Und nun folgt ein Satz, der zum Schmunzeln Anlass gibt: „Früh um sechs Uhr sah man ihn mit der weißen Nachtmütze über die Haustür blicken.“ Dazu muss man erläutern, dass die Tür früher in der Mitte waagerecht geteilt war und man die beiden oberen Flügel separat öffnen konnte. Den sonst so würdevollen Pastor in Nachtgewand mindestens einmal gesehen zu haben, das hat sich wohl kein Gehrder entgehen lassen.

 Peithmann war auch ein großer Hundeliebhaber, dem es – gleich Friedrich dem Großen – besonders Windhunde angetan hatten. Darüber hinaus ging er gerne zur Jagd. Man sah ihn oft in Gesellschaft der befreundeten Herren von Monsbruch auf Gut Twistel und vor allem im Revier der Bersenbrücker Nonnen.

 Zur Pfarre gehörten Grund, Boden und Markengerechtigkeiten in der Größe eines mittleren Bauernhofes. Sowohl die Verwaltung des Pfarrvermögens wie auch die Überwachung des Eingangs der Pfarreinkünfte waren eine erhebliche nebenamtliche Tätigkeit.

 Da verwundert es nicht, dass Christian Wilhelm außer zwei Mägden auch einen Knecht beschäftigte. Da sich der Haushalt ganz auf Landwirtschaft gründete, ließ Christian Wilhelm auf eigene Kosten eine Scheune bauen.

 Die Haupteinnahmen waren Naturallieferungen, vor allem Roggen, Hafer, Brote und Beipröben. Abgabepflichtig waren im Kirchspiel alle voll- und halberbigen Höfe und einige sogenannte Erbkotten, also nicht die „normalen“ Einwohner.

 Zwei heitere Geschichten dazu:

Ein Bauer hatte Mettwürste an den Pastor zu liefern, sicher für den Abgabepflichtigen weniger eine schmerzliche Versorgungseinbuße als vielmehr ein alljährlich wiederkehrendes Ärgernis.
Da ihm offensichtlich das Seelenheil nicht besonders am Herzen lag, ließ er die abzuliefernden Würste einfach kürzer machen, und damit das nicht auffiel, von Mal zu Mal immer nur ein kleines Stück weniger. Das Kloster kam dennoch dahinter und verhalf dem Pastor zu seinem Recht, indem es dem Bauern folgende Anordnung erteilte: Mettwürste sind ab sofort so lang zu machen, dass Sie einen Laib Brot umschließen.

 Für eine weitere Begebenheit kommt als Beteiligter auch kaum ein anderer als Christian Wilhelm in Frage.

 Man erzählt: Die Äbtissin des Klosters Bersenbrück sei vom Gehrder Pastor zu Tische geladen worden. Es wurde Fisch gereicht. Die Äbtissin merkte bald mit vorsichtigen Worten an, dass der aufgetragene Fisch zu mager gebraten sei. Der Pastor nahm sofort das Gespräch auf und erläuterte, in seinem Haushalt herrsche ein großer Mangel an Butter, ein Mangel, den man ungeachtet aller Mühe auch diesmal nicht im Stande gewesen sei zu beheben. Die Äbtissin erwiderte, das Kloster habe vor geraumer Zeit dem Pastor gegen Brotmangel schon hinlänglich geschützt, jetzt wolle es ein übriges tun und noch eine Butterstelle hinzufügen. Bald darauf musste ein weiterer Eigenbehöriger des Klosters Butter an den Pastor liefern. So hatte Gastgeber Christian Wilhelm sein Ziel erreicht.

 Christian Wilhelm war verheiratet mit einer Kaufmannstochter aus Gehrde, Christine Elsabein Rehling. Sie gebar ihm 7 Kinder.

 Diese kurzen Skizzen über das Leben Christian Wilhelms zeigen auf, wie sehr er über die Gehrder Pfarre hinaus auch mit dem Ort und seinen Bewohnern verbunden war. Ihm und seiner Familie kam natürlich auch die reiche materielle Ausstattung des Pastorats zugute, der Grundbesitz und die Einnahmen. Da können wir es gut verstehen, dass er alles daran setzte, das Pastorat auch an einen seiner Söhne, Gustav Adolf, weiterzugeben. Wie zuvor sein Vater für ihn, so wollte auch er für s e i n e n Sohn die „Erbfolge“ sichern. Aber was wurde aus dem Plan tatsächlich? Ich möchte es vorwegnehmen: ein langwieriges, dennoch spannendes Drama. Hier der Ablauf in Kurzform:

 1. Akt

Christian Wilhelm ließ durch die vorschlagsberechtigten Nonnen des Bersenbrücker Klosters seinen Sohn als Pastor für Gehrde bestimmen, obwohl Gustav Adolf erst 8 Jahre alt war, rasch noch bevor das Kloster aufgelöst wurde.

Die ihm wohlgesonnenen Damen machten mit, bekamen sie doch kurz vor dem Aus noch eine hübsche finanzielle Zuwendung, nämlich die Gebühr für die Ernennung des jungen Peithmann. In ihrer Begründung konnten sie natürlich nur die Verdienste von Großvater und Vater Peithmann anführen.

 2. Akt

Gustav Adolf beendete 1802 sein Studium in Helmstedt, als sein Vater noch die Gehrder Pfarre besetzt hielt und sich noch des ihm eigenen Tatendranges erfreute. Um die für ihn ziemlich unbestimmte Wartezeit zu überbrücken, stellte er bei der Kirchenobrigkeit einfach den Antrag, bei seinem Vater in Gehrde und bei seinem Onkel in Ahrenshorst sich im Gottesdiensthalten und besonders im Predigen üben zu dürfen; immerhin 5 Jahre lang.

 3. Akt

Als der Vater 1807 stirbt, macht sich Gustav Adolf gleich zu Fuß auf den Weg nach Münster, wo der zuständige Chef der französischen Besatzungsmacht residierte, um von ihm die staatliche Zustimmung zu bekommen. In der Tasche hatte er die Ernennungsurkunde der Bersenbrücker Nonnen. Der Gouverneur Loison übersah wohl gerne das Datum des Zeugnisses, schließlich war das vergilbte Papier 21 Jahre alt – sondern nahm nur den Aussteller als bedeutsam wahr: das katholische Kloster. Da erklärte er als Katholik sofort sein Einverständnis.

 4. Akt

Zustimmung der kirchlichen Behörde. Die Osnabrücker Konsistorialräte wussten nur zu gut, dass sie von Vater und Sohn Peithmann umgangen waren, ausgespielt nach deren gemeinsamer Sache mit den katholischen Nonnen und mit dem katholischen französischen Gouverneur. So musste des Konsistorium schon vorher eingestehen: „Kein Zweifel, Peithmann wird die Prüfung bestehen.“

 5. Akt

Gustav Adolfs Probepredigt und Kolloquium in Osnabrück. Peinlich, dass der Kandidat nach dem fünfjährigen Aufschub nicht mehr des Lateinischen mächtig war und er bitten musste, in Deutsch geprüft zu werden. Da das Ergebnis auch sonst nicht befriedigte, ermahnte man ihn, das Fehlende nachzuholen. Dennoch, es war reine Formsache.

 6. Akt

Ordination von Pastor Gustav Adolf Peithmann am 14. Juni 1807 in der Gehrder Kirche.

 Endlich war der Schlusspunkt gesetzt unter ein mehr als 2 Jahrzehnte dauerndes Verfahren; endlich konnte in Familie, Gemeinde und Kirchenleitung Ruhe eintreten – hätte man meinen können. Aber es war keineswegs so.

 Das Gefühl des Ausgegrenztseins, des Umgangenseins, durch das katholische Kloster, durch das katholische französische Gouvernement und nicht zuletzt durch die augenscheinlich mit den Katholiken unter einer Decke steckenden Gehrder Pastorenfamilie Peithmann muss bei den Kirchenoberen noch ganz tief gesessen haben.

Keiner aus dem Konsistorium hatte sich getraut, die Verfügung des Gouverneurs Loison von der französischen Besatzungsmacht zu missachten, solange dieser sein Amt versah. Doch dann lösten die Franzosen den vorläufigen Besatzungsstatus auf und bildeten des sogenannte Königreich Westfalen, einen Vasallenstaat Napoleons. Kaum war Loison aus Münster abgezogen, rollten die Osnabrücker Kirchenräte das Besetzungsverfahren für die Gehrder Pfarre wieder auf. Sie holten nun auch noch andere Argumente hervor, z. B. hätten Pastoren, die sich in anderen Pfarrämtern mit geringerem Einkommen begnügen müssten, einen größeren Anspruch auf die einträgliche Stelle in Gehrde als Gustav Adolf. Sage und schreibe eineinviertel Jahr nach der Ordination erdreisteten sie sich, ihn noch einmal auf Eignung zu überprüfen.

 Das Konsistorium beauftragte dazu den Hofprediger Lasius aus Osnabrück. Der sollte ohne vorherige Anmeldung, also ohne Wissen des Pastors, überraschend und unerwartet einem Gottesdienst in Gehrde beiwohnen und dann darüber ein Urteil abgeben. Am 4.9.1808 saß Lasius in der Gehrder Kirchenbank. In seinem Bericht über die nicht angekündigte Visitation heißt es: „Die Kirche begann um 10 Uhr mit einem Gesang. Dann wurde vom Pastor die Kollekte gesungen und das Evangelium verlesen. Nach einem weiteren Gesang bestieg der Pastor die Kanzel. Die konzipierte Predigt wurde größtenteils gelesen mit einer Stimme, die für die kleine Kirche viel zu stark war. Sie war aber passend und für die Zuhörer erbauend. Für meine Empfindung hat die Deklamation des Predigers – also der Vortrag – etwas unangenehmes, allein die große Stille und Aufmerksamkeit der gedrängt vollen Kirche bezeugte den Beifall, mit welchem die Gemeinde ihrem Prediger zuhörte.“

 Habt ihr es bemerkt? Es ist ein Bericht voller Widersprüche! Hatte der Visitator Lasius auf der einen Seite schreiben m ü s s e n , was die Osnabrücker Kirchenräte hören wollten, auf der anderen Seite aber nicht unterdrücken k ö n n e n , dass er einen für die Gemeinde überaus erbaulichen Gottesdienst erlebt hatte?

 Gustav Adolf kam doch nicht umhin, sich noch einmal vom Konsistorium prüfen zu lassen, allerdings mit dem Ergebnis, ihn letztendlich in seinem Amt zu belassen. Es gebe durchaus Bedenken, aber man baue auf das Versprechen des Pastors, sein Pfarramt in möglichster Treue zu führen.

 Als Gustav Adolf Pfarrer in Gehrde war, wurde die Kirche vergrößert. Bereits Vater Christian Wilhelm hatte dem Konsistorium den Ausbau der Kirche empfohlen. Sie sei schon für die Gehrder Eingesessenen zu klein. Zudem hielten sich auch viele Hundert Menschen aus den benachbarten Kirchspielen Damme und Ankum zur Gehrder Kirche, um Peithmann zu hören. Als 1815 die Bauerschaft Klein Drehle endgültig dem Kirchspiel Gehrde zugeteilt wurde, konnte man die Erweiterung nicht mehr hinausschieben. Aber die Finanzierung lag in den Händen kirchlicher Behörden, und so hatten Pastor und Gehrder Kirchenvorsteher wohl keinerlei Einfluss auf die Gestaltung. Dieser Umbau war dann auch alles andere als eine Verschönerung, nahm er doch auf den Stil der alten Kirche keine Rücksicht; so bekam der Anbau kein gemauertes Kreuzgewölbe, sondern eine Decke in Holzverschalung.

 Gustav Adolf heiratete 1820 erst im 42. Lebensjahr, Cathrin Elisabeth zu Dreele verwitwete Thesfeld, Tochter des Colonus Johann Hermann zu Dreele. Kinder hatte das Paar nicht. Schon im Alter von 48 Jahren starb der Pastor.

 Das Peithmann-Kapitel in Gehrde ist damit aber noch nicht ganz beendet. Der Witwe Peithmann wuchs nun so etwas wie das Amt einer Vermögensverwalterin aus dem Nachlass von 4 Generationen Peithmann – wenn man die schwiegerväterliche Familie Heilersieg mitrechnet – zu. Es hatte sich in den mehr als 100 Jahren viel Privateigentum angesammelt, und es war nicht leicht zu entscheiden, was der Pfarre und was der Peithmann-Erbin gehörte. So musste der nachfolgende Pastor Buck viele Hundert Taler zahlen, etwa für die Peithmannsche Scheune und für das Gartenhaus auf der von den Peithmanns urbar gemachten sogenannten Insel hinter dem Wohnhaus.

 Bleiben noch die 6 Geschwister Gustav Adolfs zu erwähnen.

 Die älteste Schwester Christine Margretha heiratete den Gastwirt und Zollpächter Johann Gerd Twelbeck. Sie wohnten im selbst erbauten Haus in Gehrde.

 Der Verbleib der zweitältesten Schwester ist unbekannt. Es folgen die beiden Pastoren Gustav Adolf in Gehrde und Carl Clamor in Hilter sowie der 1781 geborene Sohn Bernhard Ludwig Gerhard Daniel.

Der wurde Apothekenhelfer, ging in die Fremde und kam nicht wieder. Er ist etwa 1811 im spanischen Militärdienst umgekommen.

 Die jüngste Schwester wurde nur 4 Jahre alt.

 Die zweitjüngste Schwester Catharina Elisabeth, 1783 geboren, soll uns zum Schluss ausführlicher beschäftigen. Sie heiratete den Gehrder Bäcker und Gastwirt Johann Wilhelm Buddenberg im Jahre 1803. Nach dem Tode des Ehemannes, auch ein Sohn aus dieser Ehe war im Alter eines Dreivierteljahres gestorben, heiratete Cathrin Elisabeth Peithmann im Oktober 1811 einen Offizier aus der französischen Militärverwaltung mit Namen Frans Victor Topein.

 Nach der sogenannten Franzosenzeit folgte Lisette, wie Cathrin Elisabeth nun im Französischen genannt wurde, ihrem Mann nach Wittenpot in der Nähe von Valenciennes in Nordfrankreich. Hier, unter fremden Menschen mit anderer Sprache und Kultur, immer vor

Augen das zurückgelassene vertraute Gehrde, das offene, aber Geborgenheit stiftende elterliche Pfarrhaus, wurde sie vom Heimweh regelrecht geschüttelt. Hinzu kam die materielle Not in der Familie eines Offiziers in einem unterlegenen Heer der nachnapoleonischen Zeit. Ein Brief etwa aus den Jahren kurz vor 1815 an ihre jüngste Schwester Christine Margretha, verheiratete Twelbeck, in Gehrde ist dafür ein beredtes Zeugnis.

 Darin lesen wir „Immer muss ich mich mit meinen traurigen Gedanken quälen, so stark ich mich auch zwinge, mich aufzuheitern, so bin ich doch nicht heiter. So bange bin ich, dass Du tot bist, so oder so mein Bruder. So oft mein Mann mich traurig und weinend antrifft, so tröstet er mich auf alle mögliche Art, um mich aufzuheitern. – Es tut ihm selbst leid, dass er mich so leiden sieht. Oh, wie manchen Seufzer schicke ich zu Gott, und wie traurig ist mein beklommenes Herz. Ach erfreue mich doch bald mit einer Antwort. Vielleicht wird dies ein Balsam in meine Wunden sein, wenn ich so glücklich bin zu sehen, dass ihr euch alle wohl befindet.“

 Die Darstellung der finanziellen Not verbindet Lisette Peithmann mit einer ins Einzelne gehenden Schilderung darüber, wie sie ihre Familie durchbringt:

„Frankreich ist ein schönes Land für den, der Geld genug hat. Die Gegend ist überaus schön und die Menschen höflich. Allein die vielen Truppen – gemeint sind die englischen Truppen nach der französischen Niederlage bei Waterloo – machen das Land arm. Die Leute, die hier auf den Dörfern etwas zu verkaufen haben, kriegen alles in die Stadt.“

 Einige Zeilen weiter: „Die Kartoffeln werden hier viel gegessen. Am Morgen kocht man sie mit der Schale und einer Handvoll Salz, aber wenig Wasser. Auf ein Viertel Kartoffeln wird eine halbe Kanne Wasser getan und ein guter Deckel, so dass gar kein Wind herein könnte. Viele machen das Schüsseltuch rund um den Deckel, so dass sie ganz im Dampf kochen, bis das Wasser ganz verkocht ist. Alsdann setzt man sie einige Minuten hin, ehe man den Deckel davon nimmt. Du glaubst nicht, wie gut die, so gekocht sind, schmecken. Am Abend legt man sie auf den warmen Ofen, eine Schüssel oben darauf, so dass sie fest zugedeckt sind. Wir essen sie viel so. Mein Mann sagt immer: die Kartoffeln sparen doch das Brot.“

 „Wir sind oft drei Wochen ohne einen Heller Geld. Wir haben in jedem Kaufmannsladen hier im Dorf Kredit, denn alle kennen meinen Mann als einen braven Bezahler. Nie verzehrt er einen Heller unnütz. Aber hart ist es für ihn wie auch für mich, so ohne Geld zu sein.“

„Sein Vater – ein ehemals reicher Bürger – hat 12 Pferde gehabt. Allein Haus und Hof, alles hat er verkaufen müssen in den Zeiten der Revolutionsjahre, um seine 12 Kinder zu ernähren. Topein hat einen Onkel, ein Bruder seiner Mutter. Der ist Pastor von einem Kanton bei Paris, soviel wie Rat – also etwa Superintendent. Der steht sich überaus gut. Er hat vier schöne Häuser in Paris und viel Geld auf Interesse – d. h. Zinsen -. Allein es fehlt auch nicht an Erben, denn Topein hat drei Brüder und vier Schwestern.“

Mit anderen Worten: Lisette kann auch von ihm keine spürbare Linderung der Not erwarten.

 „Oh wie oft muss ich um das Geld Tränen vergießen. Hart für den, der es brauchen muss und nicht hat. Aber Du kennst dies nicht. Du hast immer Überfluss, aber mir fehlt es nicht am Mangel. Es ist sehr traurig, dass ich Dich immer mit jammernden Briefen beschweren muss. Allein, an wen soll ich anders meine Not klagen wie an Dich.“

 Spätestens an dieser Stelle wird der eigentliche Grund des Schreibens erkennbar. Lisette bittet bei ihrer Schwester hier in Gehrde um finanzielle Unterstützung.

 Dies waren nur wenige Auszüge aus einem Brief, der mehr als 4 Schreibmaschinenseiten umfasst. Gewöhnlich macht ein Brief ledig lich eine Reise, nämlich die vom Absender zum Empfänger. Lisette Peithmanns Brief war auch noch später unterwegs: Irgendwann traf er im weltumspannenden genealogischen Archiv der Mormonen in Salt Lake City in Utah ein. Anfang der 80er Jahre wurde er in Kopie zurückgesandt in das Archiv unseres Familienverbandes Peit(h)mann. Wir verdanken das einem inzwischen verstorbenen Familienforscher hier aus dem Artland, Walter Pohlsander, der nach Utha in die Vereinigten Staaten ausgewandert war und der uns alle in Salt Lake City gespeicherten Peit(h)mann-Daten – bis auf solche für Stadthagen – zukommen ließ, darunter viele, die wir bislang nicht kannten.

 Neben den Kirchenbüchern in Gehrde, den Konsistorialakten im Niedersächsischen Staatsarchiv in Osnabrück und heimatgeschichtlicher Literatur, erwähnt sei insbesondere das 1951 erschienene Büchlein „Die Kirche in Gehrde“ des Peithmann-Verwandten Gerhard Twelbeck in Osnabrück und die Schriften des Kreisheimatbundes Bersenbrück, gehören die Archivkopien aus Salt Lake City zu den überaus reichen Quellen, die uns über die Familien der Gehrder Pastoren Peithmann Auskunft geben.

 Es ist eine so große Fülle, dass wir für diesen Vortrag nur einen Teil und diese auch nur auszugsweise auswerten konnten.

Der Brief Lisette Peithmanns, verheiratete Topein, traf hier in Gehrde im Hause ihrer Schwester ein. Und dieses schmucke kleine Fachwerkgebäude ist erhalten, mehr noch, es dient heute der politischen Gemeinde, die Räume der Verwaltung und die Fassade des Giebels der Repräsentation. Dazu gehört auch die Balkeninschrift mit den Namen der Erbauer Johann Gerd Twelbeck und Christine Margretha Peithmann. Dieses sichtbare Zeichen des Peithmann-Erbes in Gehrde war uns, dem Familienverband, noch bis Anfang dieses Jahres unbekannt, bis es Elisabeth Peithmann aus Südhemmern bei dem schon erwähnten Besuch Anfang des Jahres entdeckte.

 Auf unserem Rundgang werden wir auch auf Schriftzeichen des Namens von Christine Margrethas Bruder, des letzten Gehrder Peithmann-Pastors, stoßen. Über dem Kreuzigungsbild des barocken Altars in der Kirche leuchtet eine strahlenumkränzte Gedenktafel mit der Inschrift:

 Cura (= Aufsicht, Verwaltung) G. A. Peithmann

Hoc Renovatum 1814

 Ob Gustav Adolf diese für ihn zweifelhafte Ehrung gutgeheißen hätte, möge dahingestellt bleiben, waren doch er und sein Kirchenvorstand in der Planung und Ausführung der Erweiterung der Kirche übergangen.

 Nachdem wir im Arbeitskreis der Peithmann-Familien anlässlich unserer März-Sitzung diese Altartafel in Augenschein genommen hatten, galt es nun zu bestätigen, dass die im 2. Weltkrieg verschollene Peithmann-Glocke wieder am alten Platz hing. Da waren wir Pastor Schrader dankbar, dass er uns bereitwillig in den Glockenturm führte. Und so stiegen wir alle von Stockwerk zu Stockwerk in den hohen Turm empor, erst auf geräumigen lichten Treppen, dann in immer engeren und dunkleren Stationen, schließlich auf einer Leiter, in das mit Balken ausgefüllte Turmgewölbe. Hier im Halbdunkel, in den von Längs- und Schrägstreben ausgesparten Freiräumen, hängen, mit Abständen neben- und übereinander, die 7 Glocken. Als die gesuchte Peithmann-Glocke kam nur eine der größeren, älteren infrage. Die erste, leicht erreichbare trägt ein Datum von vor der Peithmann-Zeit: 1619. Um zu einer anderen älteren zu gelangen, mussten wir über Sparren balancieren und weiter aufsteigen. Doch im dunklen Turmwinkel waren die eingegossenen Buchstaben nicht zu entziffern. Da öffnete einer von uns eine Ziegelluke im Turmdach und ein Lichtstrahl traf den Schriftzug des lateinischen Textes, der lautet:

 „Die Feste verherrliche ich. Die Feuer kündige ich an.

Die Toten beklage ich. Die zerstreuten Blitze vertreibe ich.

Cura D. Clamor Albrecht Peithmann Pastor … 1763″

 Nachdem uns auch noch eine Klangprobe der Glocke zu Gehör gebracht worden war, erreichten wir unversehrt wieder den festen Boden.

 Heute werden wir mit dieser versammelten großen Schar den Turm nicht besteigen, wohl aber die Peithmann-Glocke hören können, wenn sie mit den anderen am Abend den Sonntag einläutet.

 So wollen wir uns hernach auf den Weg machen zu den Peithmann-Stätten in diesem schönen Ort, in dem die Peithmann-Verwandten ein Jahrhundert lang zu Hause waren, denen wir unseren diesjährigen Familientag widmen.

 Wilhelm Meier-Peithmann