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Amerikafahrer aus dem Kreise Minden (17.9.2005)

Amerika-Fahrer aus dem Kreise Minden

Peithmann und Verwandte Brink, Huck, Krughoff, Krüger, Schnake

 

Am 5. Februar 1884 schrieb der Bauer Ernst Ludwig Andreas Peithmann in Südhemmern folgenden Brief an seinen Bruder Friedrich in Amerika:

  „Lieber Bruder!

Du wirst mir nicht verargen, dass ich deinen Brief nicht schon eher beantwortet habe.  Dein uns sehr wertes Schreiben haben wir am 4. Januar erhalten.

 Lieber Bruder, du schreibst, dass wir auch nach Amerika herüber kommen sollten, und dass da eine passende Farm für uns wäre.  Es ist schwierig, mit der Familie herüber zu kommen, denn du weißt, dass wir 8 Kinder haben, und zumal meine liebe Frau einen kränklichen Körper hat; aber wenn unsere Kinder, der eine oder andere Lust haben, so sind wir nicht dagegen.  Louise hat noch nicht recht Lust.  Sophie wird diesen Ostern konfirmiert.  Heinrich Röthemeier, Schlensker sein Bruder, reiset nächsten Herbst hier ab; wenn Louise und Sophie dann mit wollen, so sind wir nicht dagegen.  Als ich deinen Brief bekam, ging ich gleich mit demselben zu unserem Bruder Heinrich nach Frotheim.  Die sagten, sie wollten einen Versuch machen zum Verkauf; wenn es dann anginge, dass sie verkaufen könnten, so wollten sie hin nach Amerika.“

 In diesem Brief Ernst Ludwig Andreas Peithmanns ist von weiteren Familienmitgliedern – sowohl von Geschwistern als auch von Kindern – als mögliche Auswanderer in die Vereinigten Staaten von Amerika die Rede.  Tatsächlich haben im Zeitraum von 1848 bis 1907 elf Personen aus den beiden Generationen unserer Familien in Unterlübbe und Südhemmern die Reise über den Atlantik angetreten, darunter die genannte Tochter Louise, verheiratete Krüger.  Wir erfahren, dass auch Ernsts Bruder Heinrich mindestens den Versuch gemacht hat, den angeheirateten Weberhof in Frotheim zu verkaufen, um auszuwandern.  Vermutlich wollte Ernst diese Angabe über seinen Bruder jedoch vorerst für sich behalten; und über seine Töchter – eben 17 und 14 Jahre alt – war man sich in der Familie wohl noch nicht einig, denn der Brief bricht hier ab und wurde auch nicht abgeschickt.

 Friedrich Peithmann, der Adressat des Schreibens, hatte ein Jahr zuvor Deutschland in Richtung Amerika verlassen; er war der fünfte Auswanderer unter den elf Geschwistern auf dem Peithmann-Hof in Unterlübbe.

 Das Brief-Fragment, aufbewahrt im Hause unseres Familienverbandsvorsitzenden Hermann, ist ein beispielhaftes Dokument für Familien aus dem Kreise Minden in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.  Bezeichnend erscheint vor allem, dass der schon ausgewanderte Friedrich seinen Bruder Ernst in Südhemmern ebenfalls zur Auswanderung anregt, ihn gewissermaßen hinüberziehen möchte.  In der Auswandererforschung hat man denn auch den Begriff „Zug- und Schubfaktoren“ geprägt.  Persönliche Anstöße durch Verwandte und Bekannte spielten aber oft nur als äußerer Anlass zur Ausreise eine Rolle.  Die große Auswanderungswelle im 19. Jahrhundert steht im ursächlichen Zusammenhang mit einschneidenden wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen.

 In Nordwestdeutschland hatte die arbeitsintensive Heimindustrie der Leinenherstellung die ländliche Bevölkerung stark ansteigen lassen.  Da ein Webstuhl und ein Heuerlingshaus die einzigen Voraussetzungen für ein eigenes Einkommen bildeten, waren bei Angehörigen der ländlichen Unterschicht frühe und große Familien üblich.  Zu Beginn des 19. Jahrhundert hatte Minden als ein Zentrum dieser Frühindustrie unter den preußischen Regierungsbezirken die höchste Bevölkerungsdichte.

 In den folgenden Jahrzehnten drängte die aufkommende industrielle Leinenproduktion die Handleinenherstellung als Nebenerwerb der Landbevölkerung zurück.  Gleichzeitig mangelte es in Minden-Ravensberg an modernen Industriezweigen, die der Überschussbevölkerung Arbeit und Brot gaben.  Die Folgen waren Verarmung und Auswanderung.  Je mehr Webstühle es in einer Region gab, desto größer war die Zahl der Auswanderer.  In der Spitzenzeit Mitte des 19. Jahrhunderts verließen jährlich über 50 Personen das für Unterlübbe zuständige Amt Dützen.  Mit 113 Auswanderern pro 1000 Einwohner bis 1870/71 nahm der Regierungsbezirk Minden einen der vorderen Plätze in Preußen ein.

 Doch die ländliche Verelendung wirkte sich nur indirekt auf die Auswanderung aus, indem sie in weiten Schichten der Gesellschaft Existenzängste erzeugte; nur solche Personen konnten Deutschland verlassen, die über ausreichende Mittel zur Ausreise verfügten; neben einigermaßen wohlhabenden Heuerlingen gehörten u. a. nicht erbberechtigte Kinder von Hofbesitzern dazu, so Söhne und Schwiegersöhne von Peithmann-Familien.

 Auswanderwillige führten ihren Plan gewöhnlich im Zusammenhang persönlicher Verbindungen aus, wie das auch die folgenden Beispiele unserer Peithmann-Verwandten zeigen.  Dafür wird in der Migrationsforschung ein bezeichnender Begriff verwendet: die Kettenwanderung.  Auch die Peithmanns zogen nicht auf sich allein gestellt in das fremde Land, sondern schlossen sich gewissermaßen als Glied einer Kette jeweils anderen an.  Diese Ketten wurden gebildet z.B. von Geschwistern, anderen Verwandten, Nachbarn sowie Angehörigen einer Kirchengemeinde oder Dorfgemeinschaft.

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 Von der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch einzigen Minden-Ravensberger Peithmann-Familie in Unterlübbe war der 1830 geborene Friedrich der erste Auswanderer.  Als ältester Sohn von Eberhard Friedrich Gottlieb Peithmann und seiner Frau Marie-Louise geb. Peper kam er als Erbe kaum in Betracht.  Nachgeborene Verwandte berichten, er habe sich der Auswandererfamilie Brink aus dem Ortsteil Eicksen im benachbarten Dorf Rothenuffeln angeschlossen.

 Von den 10 Kindern der Familie Brink waren die älteren Christian und Wilhelm um 1840 vorausgefahren.  Sie ließen sich in Washington County im Staate Illinois nieder, ein unserem Landkreis vergleichbarer Verwaltungsbezirk, in dem sich drei Jahre zuvor die ersten Deutschen angesiedelt hatten.  Er wurde Hauptanziehungspunkt für Auswanderer aus dem Kirchspiel Bergkirchen und dem übrigen Kreis Minden, worauf auch der Ortsname New Minden verweist.  Noch 100 Jahre später waren in diesem Dorf von den 150 Einwohnern über 90% deutscher Abstammung.

 1842 kehrte Christian Brink nach Deutschland zurück, um seine Braut nachzuholen und um seine Eltern zu überzeugen, auch auszuwandern.  Die Eltern Ernst und Anna-Maria Brink mit Sohn Friedrich – sieben jüngere Geschwister blieben zurück – betraten Ende August 1845 in Hamburg ein englisches Segelschiff mit dem Ziel New Orleans.  Ihnen stand eine beschwerliche Reise bevor.  Nach einer über 70 Tage dauernden stürmischen Überfahrt erreichten sie Anfang November die Hafenstadt am Mississippi, geschwächt u. a. vom knappen Proviant und faulen Wasser.  Von dort ging es auf einem Fluss-Dampfer 1000 km weiter aufwärts in Richtung St. Louis.  Unterwegs wurden sie von einem strengen Frühwinter überrascht.  Erst Eisschollen, dann Packeis; schließlich fror das Schiff bei Grand Tower ein.  Die Auswanderer aus Rothenuffeln mussten ihre ganze Habe auf Ochsenkarren umladen und noch 120 km durch meterhohen Schnee in vereister Wildnis zurücklegen.  Erst Ende Dezember, also vier Monate nach der Abreise, erreichten sie ihr Ziel Washington County.  Die Strapazen hatten die Kräfte der Eltern verzehrt.  Die Mutter Anna-Maria starb schon bald nach der Ankunft und Vater Brink noch im selben Jahr.

 Die Familie hatte den Hof in Rothenuffeln verkauft und in Hoyleton Township, einem dem Landkreis nachgeordneten Verwaltungsbezirk, eine Farm mit 1500 acres Land erworben.  1 acre entspricht etwas mehr als 0,4 ha. 

 Es wird überliefert, Friedrich Peithmann sei 1848 ausgewandert.  So ist ihm wohl die abenteuerliche Reise mit den Eltern Brink erspart geblieben.  Vermutlich begleitete er benachbarte Auswandererfamilien, etwa die Krughoffs oder jüngere Brink-Geschwister, die den älteren Brüdern nachfolgten.  Er arbeitete auf der Brink-Farm, bis er 1851 schon im Alter von 21 Jahren ganz plötzlich verstarb.

 Über die Todesursache liegen unterschiedliche Berichte vor.  Friedrichs Neffe, Edgar Frederick Peithmann in San Diego, Kalifornien, Sohn des 23 Jahre später geborenen gleichnamigen Bruders, schrieb in einem Brief vom 16.4.1978 an Irvin Peithmann in Chester, Illinois: „Wusstest du schon, dass mein Vater Frederick Peithmann nach einem älteren Bruder benannt ist, der hier in Illinois starb, bevor mein Vater geboren wurde?  Man erzählte, dass er außergewöhnlich stark war.  Als er einmal in einer kleinen Mühle arbeitete, stellte er sich einem Hirsch, der neugierig auf ihn zukam.  Da dieser keine Menschen kannte, konnte ihn Frederick Peithmann an den Geweihsprossen greifen und zu Boden ringen.  Während des Kampfes gab es keine Möglichkeit, ihn loszulassen, ohne aufgespießt zu werden.  Fredericks Begleiter hatte nicht den Mut, das Tier in dieser Zeit zu töten.  Frederick erlitt innere Verletzungen und starb einige Tage später.“

 Irvin Peithmanns Schwester Luella, verh. Garnholz, schreibt in der 1979 erschienenen Chronik von Hoyleton Township, die Todesursache seien Fieberkrämpfe gewesen; andere berichten von einer Vergiftung.  Irvin erzählte, der jüngere Friedrich sei an einer Lungenentzündung gestorben.  Alle diese Angaben müssen sich nicht widersprechen.  Friedrich wurde neben den Eheleuten Ernst und Anna-Maria Brink auf deren Farmgelände in North Prairie beigesetzt.  Die eingefriedeten Gräber sind noch heute erhalten.

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  Die 1833 geborene Louise war nach Karoline, die auf den Hof Wessel in Unterlübbe heiratete, und dem ersten Friedrich das 3. Kind von Eberhard Friedrich Gottlieb Peithmann und seiner Frau Marie-Louise, geb. Peper.  Sie heiratete 1849 in Bergkirchen den nicht erbberechtigten Bauernsohn Louis Huck aus Rothenuffeln.  Dem Eintrag im Kirchenbuch ist die Bemerkung hinzugefügt, das Paar beabsichtige, nach der Vermählung in die USA auszuwandern.  Auch sie steuerten North Prairie in Hoyleton Township an, wo schon Bruder und Schwager sowie andere aus der Nachbarschaft lebten.  1853 wurde ihnen mit einer vom damaligen amerikanischen Präsidenten Pierce unterschriebenen Urkunde Land zugewiesen.  Weitere Flächen kauften sie von angrenzenden Farmen und von der Eisenbahngesellschaft „Illinois Central Railroad“ für 4 bis 36 Dollar pro acre.  Einen Teil des Geldes liehen sie sich für jährliche Zinsen von 8 – 10%.  Als Louis Huck 1885 starb – Louise war ihm bereits 1873 im Tode vorausgegangen –, gehörten zur Huck-Farm 600 acres, also etwa 1000 Morgen, die unter den 5 überlebenden der 9 Kinder aufgeteilt wurden.

 Über einen Nachfahren von Louise Peithmann-Huck berichteten 2003 die Fernsehanstalten und Zeitungen weltweit.  Ihre Urenkelin, die 1940 geborene Audrey Huck, hatte 3 Söhne.  William, der älteste, der den Nachnamen seines Stiefvaters McCool annahm, wurde Astronaut und Pilot der Raumfähre Columbia, die wegen einer beim Start zerbrochenen Hitzekachel am 1.2.2003 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vollständig auseinander brach.  Dabei kam die ganze Besatzung ums Leben.

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 Die nächst ältere Tochter auf dem Peithmann-Hof in Unterlübbe, die 1835 geborene Wilhelmine, folgte ihrer Schwester 1854 in die Vereinigten Staaten, 5 Jahre später im Alter von 19 Jahren.  In North Prairie lernte sie den 1829 in Rothenuffeln geborenen Friedrich W. Krughoff kennen, der 1847/1848 ausgewandert war.  Sie heirateten 1855 im Hause seiner Eltern, in dem sie noch zwei Jahre wohnten, bis sie auf eine eigene schöne Farm ziehen konnten.  Das alte vorgefundene Holzhaus ersetzten sie später durch ein für deutsche Siedler typisches Ziegelsteingebäude.  Indem sie nach und nach Stücke von 16-32 acres dazukauften, vergrößerten sie ihren Besitz auf ungefähr 900 acres, 1500 Morgen.

 Weizen brachte die höchsten Erträge.  Hafer, Mais und Gras wurden als Futter für Rinder, Pferde und Schweine gebraucht.  Mit Hilfe der aufkommenden neuen Anbaumethoden gediehen auch Hülsenfrüchte und Mais, die auf den leichten, sauren Böden anfangs kümmerten.

 Über dem Hofportal stand der biblische Name „Ebeneser“ aus dem Samuel-Buch, zu deutsch „Stein der Hilfe“.  „Gott, der Herr, hilft uns so weit!“ – das war das Lebensmotto des Ehepaares, und das durfte es vielfältig selbst erfahren.  Bis Friedrich Krughoff 1909 als 80-jähriger starb, hatte es in seiner großen Familie nicht einen Todesfall gegeben.  Er war Mitbegründer der örtlichen christlichen Gemeinde, in der er viele Ämter ausübte.

 Über Wilhelmine Peithmann und Fred Krughoff sind originelle Geschichten überliefert, die ihre Enkelin, Frieda Hotz, für unser Familienarchiv festgehalten hat.  Eine davon sei hier wiedergegeben.

 Wilhelmine konnte wunderbar nähen und sticken.  Mit großem Vergnügen flickte sie auch Hosen, Hemden, Röcke und Jacken; und sie war darin so perfekt, dass man die Flicken kaum erkennen konnte.  Von ihren eigenen Kleidern zog sie das mit vielen Flicken am liebsten an.  Ihrem Mann gefiel das ganz und gar nicht.  Wiederholt sagte er ihr, dass er diese vielen Flicken nicht mehr länger ansehen könne.  Wilhelmine entgegnete ihm darauf nur, dass sie gar nicht anders könne, als weiter zu flicken und weiter Kleider mit Flicken zu tragen.  Fred Krughoff sah schließlich ein, dass er auf dieser Weise bei seiner Frau nichts erreichen konnte.  Er musste anders vorgehen.  Tochter Lizzie besorgte das Waschen.  Als eines Tages das besagte Kleid zum Einweichen im Waschkübel lag, nahm Fred es einfach heraus und beseitigte es endgültig, ohne seiner Frau, wohl aber seiner Tochter davon zu erzählen.  Doch Wilhelmine ahnte nur zu gut, was passiert war, verhielt sich aber so klug, es nicht offen auszusprechen.  Dafür sagte sie eine ganze Zeit lang bei jeder passenden Gelegenheit: „Dass mir ausgerechnet mein Lieblingskleid in meiner eigenen Wäsche verloren geht, ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert.“

 Dem Ehepaar Krughoff-Peithmann wurden 5 Söhne und 5 Töchter geboren, die sich alle verheirateten und erst im 20. Jahrhundert starben.  Einen Teil der elterlichen Farm erwarb die älteste Tochter Mary, verh. Hoffmann.  Gemäß Testament wurde das verbliebene Land unter 4 der Söhne aufgeteilt, von denen der jüngste, Albert, die Hofstelle übernahm.

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  Der 4. Auswanderer unter den Unterlübber Peithmann-Geschwistern war 1866 der 28-jährige Hermann, der bis dahin auf dem elterlichen Hof mitgearbeitet hatte.  Er sei ein guter und fleißiger Bauer gewesen, war das Urteil seines Vaters.   Dass Hermann trotz des von Juni bis August 1866 dauernden preußisch-österreichischen Krieges ausreisen durfte, hing mit seinem ererbten Herzfehler zusammen, wie sein Enkel Irvin Peithmann zu berichten wusste.  Dieser schrieb dazu: „Wenn er nicht vom Militärdienst befreit worden wäre, hätte er seine Auswanderung aufschieben oder sogar aufgeben müssen.  Mit einem Koffer voller Kleidungsstücke und Handwerkszeuge sowie einem Flachsspinnrad für seine Schwester Wilhelmine kam er auf der Fred-Krughoff-Farm an.  Außerdem hatte er in seiner Brieftasche Geld im Werte von 4000 Dollar; es war der auf dem elterlichen Hof verdiente und angesparte Lohn, mit dem er eigenes Farmland kaufen wollte.

 Anfang 1850, zwei bis drei Jahre nach Fred Krughoff und Wilhelmine, geb. Peithmann, war eine andere Familie aus Rothenuffeln ausgewandert: Henry Schnake und Louise, geb. Brink, mit ihren bis dahin 5 Kindern.  Diese bewirtschaftete 8 Jahre lang eine Farm im nahen New Minden und kaufte dann etwa 3 Meilen südlich von Hoyleton eine eigene Farm.  Zu den weiteren in Amerika geborenen Kindern des Paares zählte Louisa, geboren im Jahre 1851.  Sie war gerade mal 15 Jahre alt und sehr verliebt in Adam Taylor Haun, einen Jüngling aus der Nachbarschaft, als sich der 13 Jahre ältere, eben aus Deutschland angekommene Hermann Peithmann den aus dem heimatlichen Kirchspiel Bergkirchen stammenden Farmerfamilien vorstellte, die sich um Hoyleton angesiedelt hatten.  Ungeachtet der Gefühle seiner Tochter für Taylor Haun – auf einen solchen jungen Mann wie Hermann Peithmann als möglichen Schwiegersohn muss Henry Schnake sehnlich gewartet haben.  Ein für ihn annehmbarer Junggeselle – er sollte von deutscher Abstammung sein sowie Ehrgeiz und Geld haben – hatte sich bis dahin weit und breit nicht finden lassen.  Denn die jungen Männer, die aus dem amerikanischen Bürgerkrieg zurückkehrten, waren erschöpft und arm.

 So nahm Henry Schnake Hermann Peithmann in seine Familie auf, damit er sein Schwiegersohn wurde; und Taylor Haun verließ Illinois enttäuscht und verbittert.  Dieses aus heutiger Sicht rücksichtslose Vorgehen seines Urgroßvaters Henry Schnake veranlasste den Historiker Irvin Peithmann zu folgender Erläuterung.  Ich zitiere aus seinem Vortrag „Unser großes Erbe“, den er am 26. Juni 1977 auf dem Schnake-Familientag in Hoyleton gehalten hat.

 „Ich bin davon überzeugt, dass Henry Schnake sehr genau wusste, was er tat, als er beschloss, wen seine Tochter heiraten sollte.  Er hielt damit an einer von deutschen Bauernhöfen überkommenen, bewährten Sitte fest, die er mit nach Amerika gebracht hatte.  Schließlich wurden Hermann Peithmann und Louisa verheiratet, und sie gründeten eine Familie.  Ich weiß, dass die Ehe glücklich wurde.  So war es eben in jenen Tagen und Zeiten.“

 Nachdem alle ihre Kinder geheiratet hatten, zogen Henry und Louise Schnake 1869 nach Nashville in die Stadt und machten Platz für Hermann Peithmann und ihre Tochter Louisa, die bis dahin auf der von ihnen erworbenen Farm bei Nashville gewohnt hatten.

 Als Hermann in die Gegend von Hoyleton und Nashville kam, war das Präriegras so hoch, dass er es nur vom Rücken eines Pferdes überblicken konnte.  Bevor man Feldfrüchte anbaute, musste man die Graspflanzen mit großer Mühe roden.  Die Deutschen hatten damals die Gewohnheit, um ihre Viehweiden Hecken zu pflanzen, damit die Tiere nicht fortlaufen konnten.  Mit der Zeit sah man auf den großen Flächen die Buschreihen nur als altmodische Hindernisse und beseitigte sie mit Bulldozern.

 Über seine Farm hinaus arbeitete Hermann vor allem in der örtlichen Kirchengemeinde mit.  Schon seine Schwiegereltern waren – wie die meisten Siedler südlich von Hoyleton und um Nashville – aktive Mitglieder der methodistischen Kirche und besuchten regelmäßig den Gottesdienst.  So trat auch Hermann dieser Glaubensgemeinschaft bei.  Gegenüber den Lutheranern, die das Leben leichter nahmen, galten bei den Methodisten strengere Regeln; u. a. war ihnen jeglicher Genuss von Alkohol untersagt.  Sie blickten deshalb auf die Lutheraner herab.  Im Gegensatz zu den meisten Lutheranern legten die Methodisten großen Wert auf eine gute Schulbildung ihrer Kinder.  Hermann gehörte dem Vorstand der örtlichen Schulbehörde an.  Die United Church of Christ, in der Hermanns Urenkel Bill Groennert Pastor war, bildete später ein Sammelbecken für Gutwillige von beiden Seiten.

 Hermann Peithmann und Louisa hatten 7 Kinder.  Nachdem Hermann auf der Henry-Schnake-Farm gestorben war, gab es unter seinen Söhnen Streit um sein Land.  Damals wie heute war die Versteigerung die normale Form der Erbauseinandersetzung. Schwiegersohn Georg Hake, Ehemann von Hermanns ältester Tochter Lydia, erwartete, dass er ein an seine Farm angrenzendes Stück Land, das er schon vor Hermanns Tod bearbeitet hatte, billig ersteigern könnte.  Als er daraufhin nur einen geringen Betrag nannte, überbot ihn sein Schwager Edward Peithmann und bekam den Zuschlag.  Darüber war Edwards Bruder William so erbost, dass der sich mit einem von 2 Pferden gezogenen flachen Ladewagen sofort zu ihm auf den Weg machte und ihn hoch vom Bock ausschimpfte.  Es sei nicht recht gewesen, den Schwager zu überbieten und das Land, das dieser schon so lange bewirtschaftet habe, einfach an sich zu reißen.  Die Gemüter waren so erregt, dass die Brüder aufeinander loszugehen drohten. Edward machte Anstalten, William vom Bock zu ziehen, und William holte als Abwehr zum Hieb mit der Peitsche aus.  Aber dann drehte William doch ab und machte sich davon.  Noch am selben Tag fuhr Edward zu Georg Hake und verkaufte ihm das Land für den Preis, den er selbst bei der Versteigerung bezahlt hatte.

 Dieses Vorkommnis sollte man im Hinblick auf die Geschwisterbeziehung nicht überbewerten, es kennzeichnet jedoch die Bedeutung von Farmland für den Bestand der Familienbetriebe.

 Dennoch gab es seither zwischen Edward auf der einen sowie William und den Hakes auf der anderen Seite eine Verstimmung, die nie so ganz ausgeheilt sein soll.  Dessen ungeachtet stehen beide Brüder auf später anlässlich von Familienfeiern gemachten Fotos einträchtig nebeneinander.  Zudem scheint ein solcher begründeter Streit der Gesundheit nicht zu schaden.  Die beiden Brüder Edward und William erreichten mit 102 und 103 Jahren das höchste Alter aller seit 1390 bekannten Personen mit dem Namen Peit(h)mann.  Die nachfolgenden Generationen haben sich denn auch nicht von dem Vorfall beeindrucken lassen und sich bestens verstanden.

 Bevor Edward Peithmann die Henry-Schnake-Farm übernahm, war er Mitglied der so genannten Dawes-Kommission zur Vermessung des Indianerlandes im Staate Oklahoma gewesen.  Ihm und seinem Sohn, dem Archäologen und Indianerforscher Irvin Peithmann haben wir den Beitrag „Freundschaft mit Indianern“ gewidmet.  Die Farm ist später in den Besitz von Edwards Kindern gekommen.

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 26 Jahre nach ihrer ersten Tochter wurde den Unterlübber Eheleuten Eberhard Friedrich Gottlieb und Marie-Louise Peithmann im Jahre 1853 noch der Sohn Friedrich geboren, den wir bereits als Adressat des eingangs zitierten, nicht abgeschickten Briefes kennen gelernt haben.  Nach seiner Schulentlassung war er, wie üblich, auf dem elterlichen Hof tätig und hatte als jüngster Sohn ein Anrecht auf das Erbe.  In einem Brief vom 18. Mai 1878 vertraute er seinem Bruder Hermann in Amerika jedoch ganz andere Überlegungen an.  Er schreibt:

 „Ich habe schon immer gesagt, wenn ich doch bei euch wäre.  Aber, der Luste, herüber zu reisen, der fehlt mir noch immer dazu.  Ich muss mich der göttlichen Führung überlassen, denn der entgehe ich doch nicht.  Wir schweben hier so zwischen Krieg und Frieden, und wenn es mal losgehen sollte, dann bin ich der erste mit, der ich Soldat gewesen bin.  Wisst doch, ich habe bei dem 7ten Garde-Regiment zu Fuß in Spandau gedient, das liegt zwei Stunden von unserer Hauptstadt Berlin.  – In voriger Woche hat eines Frevlers Hand auf unseren Kaiser geschossen und zwar 2 Schüsse, welche aber beide nicht getroffen haben. …“

 Für Friedrich mag also die Furcht vor dem Ausbruch eines Krieges der eigentliche Anstoß für seine Auswanderung 5 Jahre später gewesen sein.  Wie viele andere, so suchte auch er sich durch „heimliche Auswanderung“ einer drohenden Einberufung zu entziehen, denn sein Name fehlt in den Auswandererlisten des Regierungsbezirks Minden für Personen, denen Auswandererkonsense und Entlassungsurkunden aus dem preußischen Staat erteilt worden waren.

 Selbstverständlich war auch Friedrichs erste Anlaufstelle die neue Heimat seiner Geschwister, wo er sich in Beaucoup bei Hoyleton niederließ.  1884 heiratete der 31-jährige die 26 Jahre alte Farmerstochter Helene Garnholz, die mit ihren Eltern 12 Jahre zuvor aus Bad Zwischenahn bei Oldenburg nach Illinois gekommen war.  Friedrich betrieb in Beaucoup anfangs einen „general store“, einen Gemischtwarenladen, dann eine kleine Farm, die er bereits 1896 wieder veräußerte.  Daraufhin kaufte er in der Nähe von Houston im Staate Texas Farmland von 640 acres, ohne das Gelände vorher persönlich in Augenschein genommen zu haben.  Im Urteil seiner Nachfahren war das die einzige größere berufliche Fehlentscheidung seines Lebens, denn es handelte sich um sandigen, häufig überschwemmten Boden, mit dem Frederick, wie er sich nun nannte, überhaupt nichts anfangen konnte.  So tauschte er bald die 640 acres bei Houston gegen nur 40 acres guten Farmlandes nördlich von Sedalia im Staate Missouri ein, wohin 1900 auch seine Familie zog.  In den folgenden Jahren konnte er seinen Besitz durch Zukauf beträchtlich vergrößern.

 Als Mitte des Winters 1905 das alte Farmhaus abbrannte, musste die Familie den Rest der kalten Jahreszeit in einer Scheune verbringen.  Im folgenden Frühjahr halfen die Nachbarn mit, ein neues Gebäude zu errichten.  Das dazu benötigte Bauholz wurde in dem 40 acres großen Wald geschlagen, den Frederick ebenfalls erworben hatte.

 Von den 7 Kindern Frederick und Helene Peithmanns wandten sich 6 von der Landwirtschaft ab.  Lydia Wilhelmina heiratete den späteren Chefingenieur Robert W. Sandfort, Oskar William wurde Eigentümer eines Kaufhauses und Präsident einer Handelskammer, Laura Maryanna und Elizabeth Ida erteilten Schulunterricht, bevor sie den späteren Farmer Bert Scott Frye und den Zeitungsverleger Edwin Holden heirateten.  Ella Flora widmete sich nach ihrem Berufsleben als Sekretärin der Pflege ihrer Eltern, nachdem diese ihre Farm in Sedalia aus Altersgründen aufgegeben hatten.

 Einzig das älteste Kind, Homer Louis, wurde Farmer in Irvington unweit seines Geburtsortes Beaucoup in Illinois.  Auf einer ihrer Reisen durch die USA besuchte Gudrun Peithmann aus Hagen im Jahre 1964 auch Homers Witwe Emma geb. Steinwald, deren Vorfahren aus Rothenuffeln stammten.  Wie viele andere Verwandte dort sprach Emma zu ihr plattdeutsch.  Sie berichtete, dass im Jahre 1917, als die USA in den 1. Weltkrieg eintraten, Deutsch als Unterrichts- und Gottesdienstsprache verboten wurde. Lediglich Kirchenlieder durften auf Deutsch gesungen werden.  Deutschstämmige konnten ihre Muttersprache nur noch heimlich oder im plattdeutschen Dialekt verwenden, der von Amerikanern anderer Herkunft nicht als Deutsch erkannt wurde.

 Das Plattdeutsch der amerikanischen Verwandten ist mit vielen englischen Wörtern für solche Gegenstände durchsetzt, die erst nach der Auswanderung erfunden wurden.

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 Bis in die Gegenwart hinein wird Plattdeutsch auch von den in den Vereinigten Staaten lebenden Nachfahren Ernst Ludwig Andreas Peithmanns in Südhemmern, Bruder der Amerikafahrer aus Unterlübbe, gepflegt.  15 Jahre nach Friedrich, dem letzten der Unterlübber Geschwister, hatten Glieder der folgenden Generation aus Südhemmern eine neue Auswanderer-Tradition begründet, ohne direkt an die vorige anzuknüpfen.  Vor allem war der Kontakt zur Anlaufstelle Hoyleton in Illinois abgerissen.

 Der erste Anstoß zur Auswanderung ging von dem 1868 in Südhemmern geborenen Christian Peithmann aus.  Nach dem Abitur am Stiftischen Gymnasium in Gütersloh – in Minden konnte man die Hochschulreife noch nicht erwerben – hatte er in Greifswald, Leipzig und Bonn Theologie studiert, 1890 das 1. theologische Examen in Münster abgelegt und bis 1892 an der Rektoratsschule in Petershagen unterrichtet.  Im Anschluss an das 2. theologische Examen leistete er einen einjährigen Militärdienst als Offiziersanwärter in Höxter ab.

 In dem offensichtlich sehr feinfühligen jungen Theologen regte sich eine starke Abneigung gegen den strengen und rauen Dienst im deutschen Militär.  Er folgte daraufhin der Empfehlung seiner Mutter, sich nach einer Beschäftigung in den USA umzusehen, obwohl ihm die Fahlfähigkeit für eine Pfarrstelle in Deutschland erteilt worden war.  In den Auswandererlisten des Regierungsbezirks Minden sind er und sein jüngerer Bruder August für das Jahr 1898 aufgeführt.  Nach der Promotion im Fach Philosophie über Kants Begriff der Erfahrung an der Universität von Minnesota 1898 übernahm er eine Pfarrstelle in Webster im Staate Dakota.

 Dr. Christian Peithmann verstand sich als Gnostiker und veröffentlichte seit 1901 in deutschen Verlagen zahlreiche Schriften, z.B. „Die Naturphilosophie des Sokrates“, „Die metaphysische Bibelauslegung“ und „Gnostischer Katechismus“; teilweise ist seinem Namen der Professorentitel vorangestellt.

 Zur Goldenen Hochzeit seiner Eltern reiste Christian 1914 nach Deutschland; er konnte aber wegen des Kriegsausbruchs erst zwei Jahre später zurückkehren.  Die 1920 mit Luise Pagmann, Tochter mecklenburgischer Eltern, geschlossene Ehe blieb kinderlos.  Bald nach der Heirat siedelte das Paar nach Deutschland über und wohnte seit 1927 in Südhemmern, wo Christian eine gnostische Gesellschaft gründete und Gleichgesinnte aus aller Welt empfing.  Im März 1933 floh er vor den Nationalsozialisten nach Amerika und starb dort 10 Jahre später im Alter von 75 Jahren.

 Christian hatte neben einer älteren Schwester noch 9 jüngere Geschwister, von denen Heinrich, nächst jüngerer Bruder, den elterlichen Hof in Südhemmern Nr. 21 übernahm.  Offensichtlich riet Christian seinem 15 Jahre jüngeren Bruder August, mit nach Amerika zu kommen.  Dieser brach dafür seine zwei Jahre zuvor bei der Reichspost begonnene Ausbildung ab.  Er suchte nicht die für ländliche Auswanderer bisher übliche Anstellung bei einem Farmer, sondern arbeitete in einer Bäckerei.  Mit den hier erworbenen Kenntnissen und dem ihm eigenen Unternehmungsgeist machte er sich selbständig, nahm eine Hypothek auf und kaufte in St. Louis im Staate Missouri eine eigene Bäckerei, die er mit seiner ersten Frau Emma betrieb.  Er hatte sie im Alter von 20 Jahren geheiratet.  „Gus Peithmann – Bakery & Confectionary“ war sowohl im großen Schaufenster als auch auf dem Pferde gezogenen Brotwagen zu lesen, mit dem sein Neffe Fred Krüger für ihn unterwegs war.  Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau gab er den Betrieb auf, ging eine zweite Ehe mit einer Frau Evelyn ein und übernahm die Leitung einer Hotelbäckerei in St. Louis.  Der kinderlos gebliebene August starb 1952, ohne jemals wieder in seinen Geburtsort Südhemmern gekommen zu sein.

 In der Familie wird überliefert, dass Christian auch den 1886 geborenen Bruder Hermann zur Auswanderung veranlasste.  Dieser kam mit 16 Jahren ebenfalls nach St. Louis, wo er 5 Jahre lang als Verkäufer in einer Schlachterei und in einem Kolonialwarenladen beschäftigt war.  Nach einem Deutschlandbesuch kehrte er 1908 in die USA zurück und arbeitete auf einer Farm in Nebraska.  1913 heiratete er die in Reynolds/Nebraska geborene Friederike (Frieda) Meyer, mit der er 1922 eine 160 acres große Farm in Hubell in Nebraska erwarb, die er 1929 auf 320 acres aufstockte und bis zu seinem Tode 1948 bewirtschaftete.  Von seinen beiden Söhnen war Ernst Direktor einer landwirtschaftlichen Behörde in Nebraska.  Der Enkel Loren bewirtschaftet die auf 800 acres vergrößerte Getreide- und Viehfarm.

 Auch drei der Peithmann-Schwestern in Südhemmern machten den Versuch zur Auswanderung.  Die älteste, die 1866 geborene Louise, hatte 1886 Friedrich Krüger in Hille geheiratet, der eine kleine Bauernstelle mit 18 Morgen Land besaß, die keine Familie ernähren konnte.  So wandert das Paar 18 Jahre nach der Eheschließung mit den in Hille geborenen 8 Kindern aus.  In Gilead in Nebraska erwarben Krügers eine Farm mit 160 acres Land, auf der sie auch eine Kirche errichteten.  Von den 5 Söhnen wurden 3 wieder Farmer und je einer Pastor und Arzt.

 In den nächsten Jahren gingen noch zwei Schwestern zu einem Neubeginn in die USA.  Die 1876 geborene Karoline verbrachte die Jahre von 1902 bis 1909 in St. Louis, wo Bruder Christian ihr eine Stelle in einem Hospital vermittelte, in dem sie sich als Kaiserswerther Diakonisse ausbilden ließ.

 Nach ihrer Rückkehr heiratete sie 1909 in Hille den späteren Werkmeister Christian Krüger, den Halbbruder ihres ausgewanderten Schwagers Friedrich Krüger.

 Auch Friederike, die 1889 geborene jüngste Tochter Ernst Ludwig Andreas Peithmanns, verbrachte ab 1907 fünf Jahre in den USA, kehrte ebenfalls als Krankenschwester zurück und heiratete den Werkmeister Christian Meyer in Hahlen.

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 Das waren – neben Brinks, Hoffmanns, Hucks, Krughoffs, Krügers, Schnakes, Steinwalds und anderen – 11 Amerikafahrer Peithmann.  Trotz enger Verbindungen untereinander – jede und jeder unserer Verwandten ging einen eigenen, unverwechselbaren Lebensweg.  Und so gebührte jeder und jedem, auch gesondert in den Blick genommen zu werden, mal ausführlicher, mal eher skizzenhaft, mal mit diesem, mal mit jenem Schwerpunkt.  Ermöglicht haben das Nachfahren der Auswanderer, die uns umfangreiche Übersichten, Briefe, Dokumente und Fotos zukommen ließen.  Es sind Früchte der persönlichen Kontakte, die Gudrun Wilde, geb. Peithmann, nunmehr seit über vier Jahrzehnten zu vielen der über den nordamerikanischen Kontinent weit verstreut wohnenden Verwandten unterhält.

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  60 Jahre Auswanderer Peithmann.  Sie gehörten zwei aufeinander folgenden Generationen an – doch welche Unterschiede zwischen beiden!  Angehörige der ersten Generation verließen Deutschland von 1848 bis 1883, also in einem Zeitraum von 35 Jahren.  Der Abstand zwischen ihnen betrug im Durchschnitt 7 Jahre.  Von 1855 bis 1865, während des amerikanischen Bürgerkrieges, wanderte ein Jahrzehnt lang keiner aus unserer Familie aus.

 Angehörige der zweiten Generation kamen von 1889 bis 1907 nach Amerika, also über einen Zeitraum von 9 Jahren.  Der durchschnittliche Abstand verringerte sich auf 1,5 Jahre – obwohl bis Ende des 19. Jahrhunderts der wirtschaftliche und soziale Druck zur Auswanderung auf die Landbevölkerung nachgelassen hatte.  Der für diese Zeit vergleichsweise hohe Anteil der ausgereisten Peithmann-Geschwister in Südhemmern mag vor allem auf das Werben des Bruders Christian zurückzuführen sein.  Größere, dampfgetriebene Schiffe erlaubten eine schnellere, gefahrlosere und billigere Überfahrt.  Sie machten Heimatbesuche möglich, die es für Peithmann-Auswanderer der ersten Generation überhaupt nicht gegeben hatte, und begünstigten die Rückwanderung.

 Das Angebot an freiem Farmland nahm zusehends ab.  Hatten sich noch alle 5 Unterlübber der Landwirtschaft zugewandt, so waren es nur noch 2 der von Südhemmern Ausgewanderten.  Aus der ersten Generation blieben alle in den USA, von der zweiten kehrte – mit Christan – die Hälfte wieder zurück.

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 Die Frauen und Männer, die in die Vereinigten Staaten auswanderten, haben Marksteine gesetzt – Marksteine im wörtlichen Sinne, als sie ihre Farmen in den Weiten von Illinois, Missouri und Nebraska aufbauten, vor allem aber im übertragenen Sinn: Marksteine für ein – wie sie hofften – besseres Leben ihrer Kinder und Kindeskinder.  Über sie wäre gesondert zu berichten.

 In seiner schon zitierten Rede „Our Great Heritage“ mahnt Irvin Peithmann: „Remove not the ancient landmarks, which your fathers have set.“ – „Versetzt nicht die alten Marksteine, die eure Väter gesetzt haben.“

 Wilhelm Meier-Peithmann

 

(Siehe zu den hier genannten Peithmann-Frauen, die durch Heirat ihren Namen verloren, die Stammbäume der Familien Huck, Krughoff, Hake und Frye. auf der Seite Stammbaum.)